Gianpaolo Aroffu und seine neue Plattenkamera
Mit Gummidruck den Sandtorhafen ablichten
Sich im Zeitalter inflationärer Fotografie und omnipräsenter Digitalkameras mit dem Bau einer neuen Plattenkamera zu beschäftigen, dazu gehören Leidenschaft und Wille. Gianpaolo Aroffu, in der Fotowelt Paolo genannt, hatte beides. Als Fan und Virtuose alter Fototechnik hat er sich in den Kopf gesetzt ein seltenes Edeldruckverfahren aus dem 19.Jahrhundert am Leben zu halten. Beim Gummidruck werden Aquarell-oder hochwertige Büttenpapiere mit Gelatine beschichtet und getrocknet. Eine Kolloidschicht aus Gummiarabicum und Farbpigmenten wird mit Kaliumdichromat oder Ammoniumdichromat lichtempfindlich gemacht und dann auf das Papier aufgepinselt. Normalerweise wird das lichtempfindliche Papier dann unter einem Negativ mit einer UV-Lampe oder Sonnenlicht belichtet. Vom belichteten Papier lösen sich im Wasserbad die unbelichteten Stellen, die belichteten Stellen bleiben haften.
Ein Foto entsteht. Paolo arbeitet in der Plattenkamera allerdings direkt mit dem Papier. Daher ist die Größe der erzeugten Bilder abhängig von der Größe der Kamera. Hier beginnt die Geschichte der Riesenplattenkamera. Zu seinem fünfzigsten Geburtstag wünschte Paolo sich eine Kamera mit der er größere Formate erzeugen kann. Eine Plattenkamera im Format 20×24 Zoll, das sind 50 x 60 Zentimeter. Zum Vergleich stellt man sich am besten die Fläche des Aufnahmechips einer handelsüblichen Standarddigitalkamera vor. Mehr als das 13tausendfache der Fläche einer handlichen Digitalkamera misst die Platte der neuen Kamera – kaum vorstellbar!
Eine solche Kamera kann man natürlich nicht einfach in einem Laden kaufen. Eine auf Plattenkameras spezialisierte Firma fertigte sie auf Bestellung – extra für Paolo. Die Objektive sind ebenfalls Spezialanfertigungen mit 550, 750 und 1100 mm Brennweite, Werte die im normalen Kamerabereich allenfalls von Teleobjektiven erreicht werden – bei der Plattenkamera aber bedeuten diese Werte nur Werte um den Normalbereich. Das eine solche Kamera nicht gerade leicht sein würde ist unschwer vorzustellen.
Ein stabiles Stativ musste her – richtig stabil. Denn die Kamera wiegt inklusive einem Objektiv rund einen Zentner – eine weitere Sonderanfertigung war fällig. Es folgten einige weitere – Koffer, Rollen und ein ganz besondere Spezialmobil als i-Tüpfelchen: der „Piaggio APE“ ein dreirädriges Fahrzeug dass in Italien häufig in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Die Ladefläche wurde für die neue Aufgabe des Kameratransportes umgebaut.
Per Seilwinde und Rampe kann der Fotokoffer auf das Heck des Auto gezogen werden. Innen ist es lichtdicht abgedichtet, damit Paolo dort die Kassetten neu laden kann. Im Sandtorhafen auf den Pontons kam Paolos neue Kamera jetzt zum ersten Mal zum Einsatz. Dabei ist es mit dem bloßen Belichten nicht getan. Alle Bilder werden von Paolo mit den Händen bei der „Entwicklung“ nachgearbeitet, es entsteht ein wirklich einmaliges Kunstwerk – kein bloßes Foto. Gianpaolo Aroffu wurde 1958 auf Sardinien geboren und kam über Berlin und London 1977 nach Hamburg und arbeitet als freiberuflicher Fotograf auch abseits seiner Plattenkameras. Zu finden sind seine Werke in der Galerie „Photohaus.de“ in der „Große Theaterstrasse 43“ – eine Galerie die sich der Fotografie und Hamburg verschrieben hat.