Hamburg Wahl 2011: Olaf Scholz
Olaf Scholz (52 Jahre alt) ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Der derzeitige SPD-Landesvorsitzende kandidiert als künftiger Erster Bürgermeister Hamburgs. Regierungserfahrung sammelte er in seiner Zeit als Innensenator in Hamburg und als Bundesarbeitsminister.
HCZ: Herr Scholz, Ihre Partei hat Sie mit 97,5% als Spitzenkandidat gewählt. Wahlumfragen sehen die SPD bei 42 bis 45 % . Was muss passieren damit Sie nicht Bürgermeister werden? Und worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück?
OS: Wir freuen uns natürlich über die guten Umfragewerte. Aber jetzt geht es um das ganz große Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, damit die gute Stimmung für die SPD am Ende auch zu entsprechenden Wahlentscheidungen führt. Deshalb ziehe ich derzeit durch Hamburg und bin in allen Wahlkreisen, mache massiv Werbung und lade die Bürger zum Gespräch ein. Die entscheiden nämlich! Die SPD hat eine lange Tradition als Hamburg-Partei. Wir sind der Stadt sehr verbunden, haben stets pragmatisch und verantwortungsbewusst gehandelt. Und uns war immer klar, dass die Wirtschaft laufen muss, denn sie ist die Grundlage unseres Wohlstandes. Diese Tradition haben wir wiederbelebt und so haben wir uns als Hamburger SPD präsentiert.
HCZ: Sie betonen häufig, dass es in der nächsten Legislaturperiode „nicht um das Wünschbare, sondern um das Machbare“ geht. Wie machbar sind die Rücknahme der Studiengebühren, die kostenlose fünfstündige KITA-Betreuung und die jährliche Einstellung von 250 Polizeianwärtern? Können Sie verstehen, dass viele da die Stirn runzeln und nach der Finanzierung fragen?
OS: Zunächst einmal muss Politik gut gemacht werden. Das heißt, dass man bei allen Entscheidungen Vernunft und Verantwortung walten lassen muss. Das vermissen die Hamburger zur Zeit am meisten. Dazu gehört, dass wir sicherstellen, dass in 2020 keine neuen Schulden gemacht werden. Das schreibt uns die Schuldenbremse des Grundgesetzes vor und es kann auch nicht sein, dass wir späteren Generationen viele Schulden hinterlassen. Bei den Bürgern sind in den letzten Jahren die Zweifel gewachsen, ob das Geld auch für die richtigen Dinge ausgegeben wurde. Es gibt ein strukturelles Defizit von wahrscheinlich 500 Mio. Euro. Unser Ziel ist, dass wir die Einnahmesteigerung der nächsten 10 Jahre dazu verwenden, dieses Defizit abzubauen. Was dann noch an finanziellen Mitteln übrig bleibt, kann für eine maßvolle Anhebung des Haushalts verwendet werden. Es müssen die richtigen Prioritäten gesetzt werden, und die Zukunft der jungen Leute ist die erste Priorität, die wir setzen können. Es darf nicht sein, dass 20% der Schulabgänger ohne berufliche Qualifikation bleiben.
HCZ: Wie schätzt man das Risiko ein, dass unerwartete Kostensteigerungen – z.B. mögliche weitere Anforderungen durch die Elbphilharmonie – den Haushalt „sprengen“? Wie geht man damit um?
OS: Das darf nicht passieren. Das Misstrauen ist berechtigterweise sehr groß. Die Bauvorhaben des Senats in den letzten Jahren haben allein an Kostensteigerungen einen Umfang von über 800 Mio. Euro erreicht. So kann es nicht gehen. Man kann auch nicht die Zahl der Pressesprecher auszudehnen und die Anzahl der Behördenbauten ausweiten, statt sich darauf zu konzentrieren, welche Dienstleistungen für die Bürger wichtig sind: die schnellere Bearbeitung von Anträgen durch die Bezirksämter, Polizei und Feuerwehr vor Ort oder bezahlbare KITA-Plätze. Das kostet viel Anstrengung, aber es geht! Ich habe mir vorgenommen, nach einem Prinzip zu verfahren, das Bill Clinton mit dem amerikanischen Kongress vereinbart hat: „Wenn man sich etwas Neues vornimmt, das Geld kostet, muss man zugleich entscheiden, wie es im bestehenden Haushalt finanziert werden soll“.
HCZ: Für den nächsten Senat kann das „Geschäft“ sehr unangenehm werden, da viele öffentliche Projekte, die den Rahmen sprengen könnten, in Arbeit sind, so z.B. die HafenCity Universität, der Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Wilhelmsburg ….
OS: Ja, das stimmt. Und gerade deswegen muss wieder verantwortlich mit Geld umgegangen werden. Und man muss prüfen, ob noch nicht begonnene Bauprojekte, wie der Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt für 250 Mio. Euro in dieser Zeit sinnvoll sind.
HCZ: Wie bezahlbar werden die 6.000 Wohnungen sein, die künftig jährlich gebaut werden? Angesichts der energetischen Anforderungen beim Wohnungsneubau in Hamburg wird es doch schwierig. Wie und wo soll gebaut werden?
OS: Wir müssen wieder mehr Wohnungen bauen. In den letzten 10 Jahren ging der Wohnungsbau um die Hälfte zurück. Das war politische Absicht, die CDU hat den Wohnungsbau nicht für nötig gehalten. Das ist ein politischer Fehler gewesen, der sich jetzt bemerkbar macht, denn mittlerweile fehlen Zehntausende von Wohnungen. Man braucht Mut, sich mit anderen anzulegen, denn wir müssen in den Bezirken Grundstücke bereitstellen und zwar zu Preisen, die hinterher auch bezahlbares Wohnen ermöglichen. Die energetischen Standards nach dem Bundesgesetz sind in den letzten Jahren ständig gesteigert worden. Es ist wenig sinnvoll, in Hamburg weit darüber hinaus zu gehen und das Wohnen auf diese Weise unbezahlbar zu machen.
HCZ: Sie kündigen an, dass Sie die Elbphilharmonie als Bürgermeister eröffnen wollen. Wie wollen Sie angesichts der offensichtlichen Verkehrsprobleme die Elbphilharmonie erreichen? Wird es unter einem Bürgermeister Olaf Scholz ein abgestimmtes Verkehrskonzept für die Innenstadt geben und wie wird dieses aussehen?
OS: Vom Rathaus kann man die Elbphilharmonie notfalls auch zu Fuß erreichen. Aber ganz im Ernst: Nach der Wahl müssen wir sehr genau hinschauen. Der entstehende Verkehr muss bewältigt werden können und der ÖPNV muss gut funktionieren und attraktiv sein.
HCZ Fahrradfahrer sind in „Green Capital“ permanent auf der Abschussliste …
OS: … und im Schlagloch…
HCZ: Sie sprechen sich gegen die Stadtbahn aus, die GAL ist gegen die Elbvertiefung. Auch beim Rückkauf der öffentlichen Netze sind Sie über die Höhe der zu kaufenden Anteile uneins. Wo sind die vielbeschworenen Schnittstellen mit der GAL?
OS: Zunächst werbe ich für ein starkes Mandat für die SPD. Wir sind bescheiden und wissen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, ohne Koalitionspartner auszukommen. Es gibt klare Unterschiede zwischen den Parteien und das muss man deutlich sagen. Für mich ist ganz klar, dass wir die Elbvertiefung brauchen. Wir müssen von den großen Schiffen erreicht werden, denn der Hafen hat weiterhin eine wichtige Funktion für unsere Wirtschaft. Auch der ÖPNV muss ausgebaut werden, um die großen Siedlungen anzubinden. Dieser Ausbau betrifft auch den schienengebundenen ÖPNV – allerdings im Rahmen eines Investitionsbudgets für mindestens 10 Jahre Zur Stadtbahn: Man kann nicht mit dem ersten Kilometer beginnen, ohne zu wissen, wie man den 52ten Kilometer finanziert. Wir sprachen über Kostensteigerungen: Bei einem Investitionsbetrag von 2 Mrd. Euro ist eine Kostensteigerung von „nur“ 10% ein „ziemlicher Batzen“, der andere Zukunftsprojekte für Hamburg in Frage stellt. Das muss vorher bedacht werden. Die Bürger dieser Stadt haben darüber nachgedacht. Die Akzeptanz für neue Projekte ist gefährdet, wenn Museen – in denen man als Kind war und die man mit seinen Enkelkindern besuchen will – geschlossen werden sollen.
HCZ: Eine letzte Frage an den ehemaligen Bundesminister und an den stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-SPD: Mit welchen Projekten wollen Sie Hamburg in Berlin vertreten?
OS: Erst einmal geht es um Hamburg. Ich bin ein Anhänger des Föderalismus. So haben wir die Möglichkeit, einen großen Teil unserer Probleme selbst zu lösen. Natürlich macht der Erste Bürgermeister Hamburgs als Ministerpräsident seinen Einfluss geltend. Wir wollen uns konstruktiv beteiligen.