Harbourfront: Frauenheld und Muttersohn
Albert Camus – Harbour Front Matinee im St. Pauli Theater
Das St. Pauli Theater auf der Reeperbahn: draußen auf dem grünen Altbau prangen die Lettern in goldenen Buchstaben, drinnen ist der der Saal in roten und goldenen Farben gehalten. Es scheint, als wäre die Zeit in Hamburgs ältestem Theater stehen geblieben. Hier wurde schon länger nicht mehr renoviert, aber das macht nichts. Bodenständig kommt es daher, und sehr charmant. Der perfekte Ort für die Matinee anlässlich des 100. Geburtstages von Albert Camus.
Camus, geboren 1913 in Französisch-Nordafrika (heute Algerien), tödlich verunglückt 1960, stammt aus einfachen Verhältnissen. Der Vater ein ungelernter Fuhrmann, die Mutter Fabrikarbeiterin und Reinigungskraft. Ein krasser Gegensatz zum Leben anderer Literaten seiner Zeit, wie Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Als „algerischen Gassenjungen“ bezeichnet ihn sein Konkurrent Satre.
Die Lesung beginnt mit einer Szene aus „der erste Mensch“, gelesen vom Schauspieler Burghart Klaußner; der Geburt eines Kindes in Algerien, in einer Hütte. Anwesend sind sowohl eine Araberin und eine Französin – eine Interpretation Camus seiner eigenen Geburt, er, der in Algerien geboren ist und südfranzösische Wurzeln hat.
Iris Radisch (Die Zeit) berichtet über die Recherchearbeiten zu ihrer Camus-Biografie „Camus. Das Ideal der Einfachheit“, die Besuche bei Camus Kindern – Zwillinge – die das zerissene Leben Camus in beide Richtungen weiterführen. Jean lebt zurückgezogen in Paris in Camus Wohnung in der Rue Madame, Catherine auf dem Bauernhof in Lourmarin, dem Dorf, in dem ihr Vater beerdigt ist.
Die Biografie ist chronologisch aufgebaut, die Titel der einzelnen Kapitel bestehen aus Camus zehn wichtigsten Begriffen, der erste ist „die Mutter“.
Er sei nicht nur ein Muttersohn gewesen, die seine Bücher nicht lesen konnte und schweigsam war, sondern auch ein Frauenheld, der zweimal verheiratet war, viele Geliebte hatte und am Tag seines Todes noch mit drei Frauen verabredet war, so Radisch.
Aus Camus Meisterstück „der Fremde“ liest Klaußner, Preisträger des deutschen Hörbuchpreises 2011, die Passage über den Tod der Mutter.
Ein Kreis schließt sich, beginnend mit der Geburt und endend mit dem Tod.
Auch die Lesung endet leider nach 90 Minuten, Klaußner hätte man noch unendlich lange zuhören können.