Hauptsache Elbphilharmonie
Die Auseinandersetzung mit dem Programm geht dabei schon mal den Bach runterDie Freude ist groß, wenn man endlich ein Ticket für die Elbphilharmonie in den Händen hält. Da ist es dem ein oder anderen völlig egal, welches Programm geboten wird, zumal er vielleicht überhaupt kein Klassik-Kenner oder noch nicht einmal musikaffin ist. Aber dabei sein ist alles und so hält der glückliche Unwissende schon mal Karten für einen der weltbesten Pianisten in den Händen, ohne jemals vorher von dem chinesischen Künstler mit dem Doppelnamen gehört zu haben.
Es kann aber auch ganz anders gehen. Da liest der geneigte Elbphilharmonie-Besucher nur einen bedeutsamen Namen, zum Beispiel Johann Sebastian Bach, und stürzt sich eifrig auf den Erwerb einer Karte für die langersehnte abendliche Vorstellung in Hamburgs Konzerthaus an der Elbe. Was genau geboten wird, hat der Elbphilharmonie-Fan aber auch in diesem Fall nicht priorisiert, es geht ja um das Ticket an sich. Und plötzlich sieht sich der Besucher den sechs Cellosuiten von Bach gegenüber, begleitet von einer Tanztheaterproduktion. Für einige Kenner gelten die Cellosuiten als „die Quintessenz von Bachs Schaffen und Bach selbst die Quintessenz aller Musik“. Also offensichtlich ganz hohe Kunst und Hochkultur mit tänzerischer Begleitung. Für jeden Cellisten der auf sich hält ist es höchster Anspruch, sich den Herausforderungen der Cellosuiten zu stellen. Unser Elbphi-Fan hat das zwar gelesen, sieht sich dann aber zwei Stunden lang ohne Pause einem einsamen Cellisten in dem Rund des Großen Saales gegenüber begleitet von Tänzern in kurzen Hosen und Turnschuhen, die dieses Meisterwerk durch Bewegung interpretieren. Teilweise setzt die Musik minutenlang aus und die quietschenden Sohlen der Tänzer auf dem Boden sind das einzige, was die Besucher hören. Der Zwischenruf „ Ich wollte eigentlich Musik hören“ sorgt zwar noch für eine gewisse Erheiterung, aber unser Elbphilharmonie-Fan verlässt enttäuscht noch während der Aufführung, mit einigen anderen, den Saal. Die, die bleiben, tun es zum großen Teil wegen eines hervorragenden Cellisten, vielleicht auch wegen einer ungewöhnlichen Choreographie. Dieser Abend gehörte den Kennern der Klassik, den Interessierten an moderner Inszenierung, gepaart mit alter Meisterkunst. Diejenigen, die nur wegen des Konzerthauses gekommen waren, können jetzt zwar endlich auch sagen, dass sie dort waren, werden über die „wahllose Wahl“ ihrer Konzertkarte aber sicherlich schweigen.