„Im Kampf gegen die Mafia“
Von mutigen Menschen
Wie ist es, wenn man Morddrohungen bekommt und nicht mehr ohne Angst auf die Straße gehen kann? Was heißt es, seine Stimme für Freiheit und Demokratie zu erheben? Ana Lilia Pérez ist eine mexikanische Journalistin. Leoluca Orlando ist Bürgermeister von Palermo. Beide kämpfen seit Jahren couragiert gegen die Mafia, Drogenkartelle, Gewaltverbrechen und Korruption. Am 5. Dezember berichten sie im vollbesetzten KörberForum über ihre Erfahrungen. Die Veranstaltung wurde durch die Körber-Stiftung, der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und der Weichmann-Stiftung realisiert. Leoluca Orlando ist seit Mai 2012 erneut Bürgermeister von Palermo. Außerdem ist er Abgeordneter des sizilianischen, italienischen und europäischen Parlaments. Bereits von 1985 bis 2000 war er, mit kurzen Unterbrechungen, Bürgermeister von Palermo. Bekannt wurde er dadurch, dass er Firmen, die unter Verdacht der Mafia-Kontrolle standen, von kommunalen Aufträgen ausgeschlossen hat. Diese Zeit ging als „Frühling von Palermo“ in die Geschichte ein. Orlando ist einer der bestgeschützten Menschen Italiens.
Ana Lilia Pérez (36) gilt als eine der couragiertesten Journalistinnen Mexikos. Sie recherchiert über Korruption, illegale Geschäfte sowie über Geldwäsche der Drogenkartelle. Sie hat mehrere Bücher zum Thema organisiertes Verbrechen veröffentlicht. Pérez lebt für ein Jahr in Deutschland, gefördert von der Stiftung für politisch Verfolgte. Vieles, was für uns selbstverständlich ist, ist es für Orlando und Pérez nicht: alleine Auto zu fahren? Das gebe es für Orlando nicht. Mit seiner Frau in der Öffentlichkeit aufzutreten? Auch das sei nicht möglich. Seit 51 Jahren ist Pérez mit seiner Frau zusammen – gemeinsame Fotos der beiden gibt es nicht. Zu ihrem Schutz. Wenn seine Frau zum Wochenmarkt geht, nehme sie eine Anti-Orlando-Haltung ein und berichte dann stolz zu Hause, dass ihre Gesprächspartner mal wieder empört die Initiative für Orlando ergriffen hätten. „Die Leute lieben Dich“, sagt sie dann.
Er sei nicht frei durch den Kampf gegen die Mafia, sagt Orlando. Aber seine Gemeinde sei freier geworden. Es gehe darum, den Menschen ihren Stolz und ihre Identität wiederzugeben. Ganze Straßenzüge habe er saniert, und das Opernhaus. Ein alter Mann sei zu ihm gekommen, der in seinem Leben nie die Oper besucht habe – aber nun würde er hingehen, er sei stolz darauf, dass sie alles neu gemacht haben. Ein Neuanfang für Palermo. Dass Orlando zwei Wochen Tür an Tür mit dem Boss der Cosa Nostra, Bernardo Provenzano, gelebt hat, der gegenüber seiner Villa im Krankenhaus lag, macht ihn fassungslos. Mexiko – eigentlich kein armes Land. Jedes Jahr würden für 20 Milliarden US-Dollar Drogen exportiert – der größte Abnehmer seien die USA. Die Drogenkartelle seien einer der größten Arbeitgeber im Land. In Mexiko seien der Staat, die Drogenkartelle, Energiekonzerne von der Mafia dominiert. Die Bürger haben kein Vertrauen mehr in die Regierung und die Polizei. Journalisten, die sich mit den Themen Mafia und Korruption auseinandersetzen, werden umgebracht; die Polizei schaut weg. 99 Prozent der Morde werden nicht aufgeklärt. Verlage verbieten ihren Journalisten, über diese Themen zu schreiben; zu groß ist die Angst der Rache. Pérez will wieder zurück nach Mexiko, auch wenn sie es hier genießt, einfach so auf die Straße gehen zu können, ohne Angst zu haben. Mexiko braucht sie. Mexiko braucht engagierte und couragierte Menschen wie Pérez, die die Hoffnung nicht aufgegeben haben und weiter kämpfen.
BU: im Gespräch: