Jörg Thadeusz liest im Rahmen der Vattenfall Lesetage
„Die Sopranistin“
„Die brutalen Szenen werden heute ausgelassen, das macht uns die Stimmung kaputt.“ Das sieht das zahlreich erschienende Publikum im Elbdeck genauso, schließlich neigt sich draußen gerade ein schöner Frühlingstag dem Ende zu. Das passt nicht zu dem Terroranschlag, der in dem Roman vom Grimme-Preisträger Jörg Thadeusz geschildert wird.
Statt konkreter Schilderungen eines Bombenanschlages in Berlin beim großen Fernsehpreis „Bruno“ beginnt Thadeusz, der auch schon als Schlafwagenschaffner gearbeitet hat, einen lustigen Dialog mit seinen Zuhörern – er möchte, bevor er mit der Lesung offiziell beginnt, erst einmal wissen, inwieweit das Publikum literarisch fit ist – ob sich im Publikum jemand befindet, der eine Kurzgeschichte geschrieben hat (ja), jemand, der ein Gedicht verfasst hat (wieder ja) und ob gar schon mal jemand ein schlechtes Gedicht zustande gebracht hat (und noch ein ja!).
Dann stellt Thadeusz, der sich immer wieder selbst unterbricht und in bester Entertainment-Manier eigene Erfahrungen zum besten gibt, die Protagonisten seines Romans vor:
Da ist Georg, der in Washington arbeitende Friseur, der immer pleite ist und zur Beerdigung seines ihn finanziell unterstützenden Onkels nach Berlin fliegt, und die Sopranistin Sofia, die mit ihm in der Lufthansa-Maschine sitzt – und Schlimmes plant. Das Publikum lernt Hanna, Nadja und Isa sowie deren schrecklichen Chef Frederik von Hogenwarth kennen, die das Event-Team bilden, die den Fernsehpreis „Bruno“, der im Theater des Westens stattfindet, organisieren. Und bei dessen Aftershow-Party eine Bombe hochgeht.
Wir lachen über den amüsanten Versuch von Carlo und Hauke, zwei Polizisten, die in ihrer Mittagspause zum Obi-Markt in Berlin-Pankow fahren, um die Baumarktangestellte Katinka zu einem date einzuladen.
Wir lachen überhaupt sehr viel über die witzigen Dialoge und Ausführungen, während die Sonnenstrahlen ein letztes Mal friedlich über das Publikum streifen, bevor das Deckenlicht angeknipst wird und wir uns daran erinnern, dass das Buch von einem Terroranschlag in Deutschland handelt – von einem brutalen Bombenanschlag in der Hauptstadt und von einem bedrückend realistischen Szenario.
Warum das Buch „Die Sopranistin“ hieße, fragt ein Zuhörer. Weil wir den Titel irgendwie alle gut fanden, ist die Antwort von Jörg Thadeusz.
Und er fand es auch eine gute Lösung, dass er die Promis, die er gerne mag, namentlich im Roman erwähnt – und die, die er nicht mag, einfach nur ganz global und ohne Namen darstellt – dann liefe man auch nicht in Gefahr, dass das Buch gestoppt würde.
Eine Lesung, die Lust auf mehr macht. Und ein Autor, der es verstand, sein Publikum glänzend zu unterhalten – auch wenn das Thema eigentlich düster ist.