Kleine und große Geschichten
Editorial
Es passiert so wenig in der HafenCity, fast könnte man meinen, die HafenCity sei ein langweiliger Stadtteil. Lauter gut situierte, nette Menschen, saubere Bürgersteige und Plätze, man grüßt sich freundlich, die Bürger beteiligen sich brav an der Gestaltung ihres Stadtteils, man macht sich Gedanken über seine Mitmenschen, feiert brave Festivals mit gesitteter Musik und mäßigem Alkoholgenuss. Quuiieeetsch – hätte diese Zeitung Ton, würde jetzt das laute Quietschen eines abrutschenden Plattenspielers zu hören sein. Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll? Fehlanzeige? Naja, an der Oberfläche schon – das macht das Leben einer Stadtteilzeitung manchmal wirklich schwer, und man wünscht sich als Journalist mehr, als nur im Zentrum Hamburger Großstadtsehnsüchte zu stehen, mehr Themen in Sachen Enthüllung und Krawall. Doch wir als Zeitung stehen natürlich auch für unseren Stadtteil und versuchen auf Meta-Ebene dem Ansehen des Stadtteils nicht zu schaden. Dabei gibt es natürlich auch in der HafenCity die kleinen, fiesen Themen, die die Sensationspresse gerade hier sucht. Hier wird genauso geliebt und gestritten, alle Abgründe menschlichen Daseins gibt es hier wie auch anderswo. Da unterhalten sich Hausgemeinschaften nur noch per Rechtsanwalt, dort werden Menschen verleumdet, Missgunst und Neid, Profitgier und schlechte Nachrede bis hin zu Kriminalität, selbst organisierte gibt es hier – kurz: ein Stadtteil wie jeder andere und gar nicht so besonders. Doch soll man als kleine Zeitung darüber schreiben, wenn das Team aus lauter Nachbarn besteht? Unsere Entscheidung ist da einigermaßen klar. Wir hören uns gerne alle Sorgen, Klatsch und Tratsch an, es ist aber die Ausnahme, dass daraus Geschichten für die Zeitung entstehen. Dazu ist uns das gegenseitige Vertrauen aller Menschen in der HafenCity viel zu wichtig, Diskretion und Vertraulichkeit gehören zu unserem Geschäft und nicht die kurzsichtige Ausschlachtung menschlicher Schwächen. Dabei bleiben wir natürlich ein Blatt, das den Großen gerne mal ans Bein pinkelt, die kleinen Schwächen überlassen wir aber gerne anderen.