Logistik-Champion Deutschland muss weiter in Infrastruktur und vor allem in Köpfe investieren
Der diesjährige LPI Report wurde von Jean-François Arvis (Senior Economist, The World Bank) und Christina Busch (Economist, The World Bank und Co-Autorin des Reports) an der KLU vorgestellt.
Deutschland ist laut Logistics Performance Index 2014 der Weltbank (LPI Report) aktueller Logistik-Weltmeister (http://lpi.worldbank.org/). In die Freude mischen sich Sorgen, denn seit Jahren wird öffentlich der schlechte Zustand der deutschen Infrastruktur beklagt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht einen zusätzlichen Investitionsbedarf in das deutsche Straßennetz von 7,2 Mrd. Euro jährlich. 17 Mrd. Euro fehlen bis 2030, um allein Brücken zu sanieren bzw. neu zu bauen, mahnt das Deutsche Institut für Urbanistik. „Aber Investitionen in Beton und Stahl allein genügen nicht. Wie effizient die Logistikmärkte sind, hängt immer mehr von der Leistungsqualität und der Kompetenz der Logistik-Manager ab. Wir müssen vor allem auch in Köpfe investieren“, sagt Professor Alan McKinnon von der Kühne Logistics University Hamburg (KLU). Dabei relativierte der Engländer McKinnon aber die jeweils subjektive Sicht der deutschen Wirtschaft auf die Infrastruktur: Seiner Erfahrung nach werde überall auf der Welt über die eigene Infrastruktur geklagt, was aber Deutschland nicht dem Streben nach ständiger Verbesserung enthebt.
„Die Herausforderung für Deutschland liegt darin, seine Logistik-Spitzenposition beizubehalten. Die LPI-Studie für 2014 gibt einen Hinweis, wie dies zu erreichen sein könnte. Sie zeigt, dass das wichtigste Alleinstellungsmerkmal auf den etablierten Logistikmärkten der einkommensstarken Länder nicht allein die Infrastruktur oder die Zollabfertigung ist, die allgemein auf einem hohen Standard sind, es geht zunehmend um die exzellente Ausbildung des Nachwuchses“, sagte Alan McKinnon während Präsentation der Weltbank an der KLU. Alan McKinnon leitet das Logistik-Department der Kühne Logistics University und ist Vorsitzender der Beratergruppe für Transport (Transport Advisory Board) für das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation horizon 2020. In dieser Eigenschaft berät er die EU-Kommission.
McKinnon überrasche es nicht, dass die Weltbank die Ergebnisse ihrer LPI-Studie 2014 in Deutschland an der weltweit einzigen Logistikuniversität, der 2010 in Hamburg gegründeten KLU, exklusiv präsentiert. „Aufgabe der Kühne Logistics University ist es, die nächste Generation an Logistik-Managern auszubilden, mit denen Deutschland auch bei künftigen LPI-Studien gut abschneiden dürfte“, so McKinnon. „In vielen Ländern gibt es einen Mangel an qualifizierten Logistikern und ausgebildeten Arbeitskräften. Wenn Deutschland an der Spitze bleiben will, muss es verstärkt hochqualifizierte Hochschulabsolventen für die Logistik gewinnen.“
Ähnlich bewertet Professor Frank Straube (Lehrstuhl für Logistik an der TU Berlin) den LPI Report: „Logistik ist der Blutkreislauf von Wirtschaft und Gesellschaft. Aktuelle Herausforderungen sind die internationale Lieferzuverlässigkeit, Volatilität, Nachhaltigkeit, die Integration von Verkehrs- und Logistiknetzwerken sowie die Aus- und Weiterbildung von Menschen“. Deutschland ist zwar mit dem besten Rating Logistikweltmeister 2014, aber die Spitzengruppe (Niederlande, Belgien, Großbritannien, Singapur, Schweden, Norwegen, Luxemburg, USA und Japan) liegt in einigen Aspekten gleichauf oder ist teilweise sogar besser. „Die Nummer 1 im Index zu sein ist gut, um sich großartig zu fühlen, aber die Differenz zwischen Nummer 1 und Nummer 10 ist in Wirklichkeit sehr gering“, meint Prof. Rod Franklin, Logistik Department der Kühne Logistics University Hamburg und Vice Chairman of the Alliance for Logistics Innovation through Collaboration in Europe (ALICE).
Wie gering zeigte eine Anekdote am Rande der Präsentation: Die gedruckte Präsentation, die es Tage zuvor in Brüssel rechtzeitig geschafft hatte per Express geliefert zu werden, schaffte es nicht rechtzeitig nach Hamburg in die KLU. Es gibt also noch Verbesserungspotential.
Weltmeister zu sein bedeutet nicht, automatisch in jeder Hinsicht führend zu sein. Alan McKinnon: „Obwohl die deutschen Logistik-Manager verständlicherweise stolz über ihre Spitzenposition bei der diesjährigen LPI-Studie sind, enthält diese doch auch andere wichtige Botschaften. Beispielsweise messen die Spediteure der Umweltverträglichkeit zunehmend mehr Bedeutung in der Logistik bei, vor allem in einkommensstarken Ländern wie Deutschland. Das ist zwar derzeit noch kein LPI-Kriterium, aber wie würde Deutschland wohl abschneiden, wenn es eines wäre?“, fragt der Logistikexperte.
Abschließend zieht McKinnon jedoch eine positive Bilanz: „Ein LPI-Kriterium, für das Deutschland die höchste Wertung erhalten hat, ist die Qualität der Transportinfrastruktur. Das mag viele Manager, Politiker und Bürger überraschen, da sie sich oft über das deutsche Verkehrsnetz beklagen. Doch auch wenn es bei absoluter Betrachtung Mängel gibt, im Vergleich zu anderen Ländern gilt die Infrastruktur Deutschlands als hervorragend.“
Mit dem LPI wird subjektiv ermittelt, wie die Logistikkapazitäten von rund 160 Ländern von Transportunternehmen und Logistikdienstleistern wahrgenommen wird. Dazu beurteilten die Umfrageteilnehmer nicht die Leistungsfähigkeit des eigenen Landes sondern die der jeweiligen ausländischen Handelspartner. Unter den Top-Ten liegen neben Deutschland sechs weitere europäische Länder, einzige Ausnahmen bilden die USA (Platz 9), Japan(10) und Singapur (5), Schlusslichter sind die beiden Kongo-Republiken, Afghanistan und Somalia.