Morgen und übermorgen
Die HafenCity Zeitung im Gespräch mit Professor Jürgen Bruns-Berentelg über „Wohnen wie in Manhattan“, erhöhte Grundfrequenzen, von denen alle profitieren, den Sorgen der „inneren Stadt“ und wieso in einem logischen Moment alles besser wird, sobald das südliche Überseequartier bebaut ist.
Das Aufstellen von Bebauungsplänen ist ein äußerst komplexes und langwieriges rechtliches Verfahren. Das gilt erst Recht für den Bebauungsplan HafenCity 15 mit dem die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des südlichen Teils des Überseequartiers als mischgenutztes und kommerzielles Zentrum der HafenCity geschaffen werden sollen. Der Plan, befindet sich derzeit in der innenbehördlichen Abstimmung und wird – genauer Termin ist noch nicht bekannt – voraussichtlich Anfang des kommenden Quartals öffentlich ausgelegt. Wenn es nach den Plänen des Investors Unibail-Rodamco und des Hamburger Senats geht, stehen in Hamburg dann weitere 68.000 Quadratmeter Verkaufsfläche in sehr attraktiver Lage zur Verfügung.
Herr Professor Bruns-Berentelg, wie wird die HafenCity im Jahre 2022 aussehen?
Zu diesem Zeitpunkt wird sich die HafenCity als lebendiger und vollintegrierter Stadtteil zeigen und einen guten Eindruck auf das ermöglichen, was wir als das fertige „Produkt“ HafenCity verstehen können. Bewohner und Beschäftigte werden sich wohlfühlen und Besucher werden die Attraktivität der HafenCity noch stärker spüren.
Alle Bauvorhaben, die jetzt geplant oder im Bau sind, werden 2022 fertiggestellt sein. Das Überseequartier, der Strandkai und ein Großteil des Baakenhafens sind dann bebaut und im Bereich der Elbbrücken werden bereits die ersten Gebäude stehen. Im westlichen Bereich wird es dann drei oder vier Grundstücke geben, die noch nicht bebaut sind, weil sie für den Kreuzfahrtbetrieb oder als Baulogistikflächen vorgehalten werden müssen.
Und dann werden wie geplant 12.000 Menschen hier leben?
Hier werden dann wahrscheinlich mehr Menschen wohnen als ursprünglich geplant. Wir wissen, dass die durchschnittlichen Wohnungen etwas kleiner werden und wir beobachten, dass aufgrund der gestiegenen Preise eine deutlich höhere Belegung der Wohnungen geplant wird, als das am Anfang der Entwicklung der Fall war. Ich rechne mit 14.000 vielleicht sogar 15.000 Menschen, die am Ende in der HafenCity wohnen können.
Wir überlegen auch, ob es Standorte geben kann, für die im Augenblick noch Gewerbe geplant ist und die unter geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen für eine mögliche Wohnbebauung geeignet sein könnten. Das heißt, dass man künftig auch an Standorten, die sehr lärmexponiert sind mit Hilfe von Passivbelüftungen und Loggien möglicherweise eine genehmigungsfähige Grundlage für Wohnungsbau schaffen kann. Allerdings sind die rechtlichen Grundlagen noch nicht geklärt.
Ist das ein neuer Plan nachdem der Senat statt 6.000 nun 10.000 Wohnungen im Jahr gebaut haben will?
Das ist nicht der Grund. Es hat etwas mit der Frage zu tun, wie wir die bewährte urbane Nutzungsmischung auch an den Standorten hinbekommen, die tatsächlich stärker lärmexponiert sind. Wenn – wie zum Beispiel heute am Kaiserkai – das ruhige Wohnen dort möglich wäre, würden wir solche Überlegungen nicht anstellen. An den Elbbrücken jedoch wird es eher ausgeprägtes Großstadt-Wohnen sein. So als wären wir in Manhattan, in einem hyperaktiven Stadtumfeld mit Mischnutzung und hoher Dichte.
Oder mitten in Ottensen?
Nein. Ottensen ist nicht so laut. Dort ist es in der Nacht viel ruhiger. Es geht um Standorte, die sogenannte „24-Stunden-Orte“ sind wie zum Beispiel das Überseequartier. Insgesamt wird es dort am Ende 1.100 Wohnungen und etwa 1.100 Hotelzimmer geben. In den Abendstunden sorgt der Betrieb der Gastronomie, der Kinos und anderer Formen des Entertainments sozusagen für die übliche innerstädtische Lautstärke.
An den Elbbrücken gibt es allerdings eine Lärmbelastung, die nicht von Menschen direkt, sondern vom starken Verkehrslärm der Versmannstraße und von den Zugverkehren auf den Elbbrücken herrührt. Als Nutzungen kommen Büro, Hotel, öffentlichkeitsbezogene Nutzungen und möglicherweise, wenn intelligente Lärmschutzlösungen gefunden werden, auch Wohnen in Betracht.
Bedeutet es, dass die Nachfrage nach Büroraum perspektivisch geringer wird?
Für den Standort HafenCity ist das nicht so. Wir wollen nur an allen Standorten eine möglichst gute Nutzungsmischung erreichen. Wenn man es auf die Gesamtnachfrage bezogen betrachtet, dann ist es so. Es gibt zwar weiterhin eine erhebliche Nachfrage nach modernen, sehr flexiblen und sehr anspruchsvollen Büroflächen, zum Teil auch für neue Arbeitsformen. Aber insgesamt haben wir die Grenzen des Wachstums beim bürobezogenen Dienstleistungssektor in Deutschland erreicht.
Das hat verschiedene Gründe: Es gibt zunehmend Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, internetbasierende Bürokonzepte, bei denen Unternehmer sich Flächen auch temporär teilen und es gibt die Neigung bei Großunternehmen, die Größe des durchschnittlichen Arbeitsplatzes in Richtung gesetzliches Mindestmaß zu verringern.
Insgesamt kann man sagen, dass eine stärkere Effizienz der Flächennutzung, ein abflachender makroökonomischer Bedarf sowie ein Strukturwandel der Arbeit dazu führen, dass an jedem Standort in jeder Großstadt die Nachfrage nicht mehr so stark sein wird, aber vor allem, dass andere Bürokonzepte nachgefragt werden. Deshalb wird es immer auch starken Neuflächenbedarf in Hamburg geben.
Welchen Einfluss wird das fertig gestellte Überseequartier auf die Entwicklung der HafenCity haben?
Die Fertigstellung des südlichen Teils des Überseequartiers wird einen fundamentalen Einfluss auf die gesamte HafenCity haben.
Das neue Stadtviertel in seiner Konzeption wird nun noch stärker eine Belebung der HafenCity von Montag bis zum Wochenende und über das gesamte Jahr schaffen. Zurzeit haben wir eher eine Situation, bei der es eine hohe Besucherintensivität ohne hohe Ausgabeintensität hauptsächlich an den Wochenenden gibt. Und im klassischen Jahreszyklus zeigt sich dass es von Oktober bis März ein starkes „Besucherloch“ gibt.
Das südliche Überseequartier wird vor allem kein geschlossenes Areal werden. Die Besucher werden auch andere Teile der HafenCity nutzen. Sie sehen die zusätzlichen Möglichkeiten, hören die Geräusche der HafenCity und riechen sogar die maritime Umgebung. Und auch Kunden, die primär zum Einkaufen kommen, werden so viel häufiger den Stadtteil insgesamt erkunden wollen. Die Vernetzungswirkung für die anderen Institutionen, wie die Elbphilharmonie, die Museen, den Lohsepark mit dem Gedenkort und für die Einzelhändler in der gesamten HafenCity wird außerordentlich sein, so dass alle von der erhöhten Grundfrequenz profitieren.
Wir werden 2021 einen ‚Frequenzmotor‘ in der HafenCity haben, der täglich bis zu 50.000 Menschen oder mehr in den Stadtteil bringt.
Ist es nicht eine Durchschnittsbetrachtung? In Wirklichkeit wird die Frequenz von Montags bis Donnerstags niedriger, dafür am Freitag und am Wochenende sehr viel höher sein…
Die Peaks werden sicherlich weiterhin durch die Cruise Days, den Hafengeburtstag, die Anläufe der Kreuzfahrtschiffe und andere Veranstaltungen entstehen. Doch durch das größere und attraktivere Angebot insgesamt gibt es jeden Tag eine viel höhere Besucherfrequenz und eine stärkere Vernetzung und diese kommt wiederum der gesamten HafenCity zu Gute. Der Einzelhandel des Überseequartiers reduziert die zyklischen Schwankungen der heutigen Frequenz und schafft dahingegend eine ständig hohe Grundfrequenz an allen Öffnungstagen bis in die Tagesrandzeiten.
Der Einzelhandelsverband Nord sagt dazu, dass das Konzept des südlichen Überseequartiers für den Wettbewerb nicht verträglich ist. Der Verband spricht sogar von tektonischen Verschiebungen…
Bei dieser Argumentation konzentrieren sich die Kritiker auf die 80.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche Einzelhandelsfläche – für die das Argument zudem falsch ist. In Wirklichkeit geht es jedoch um die Attraktivität des Standortes HafenCity insgesamt, die ihnen Sorgen bereitet.
Wenn man mit Akteuren aus der „inneren Stadt“ spricht, erfährt man, dass diese sich Sorgen machen, dass hier ein lebendiger Ort entsteht, in dem auch der Abendbetrieb läuft. Hier muss sich also viel mehr die bestehende City ändern und die dortige Nutzungsmischung deutlich attraktiver werden, denn etwa die Mönckebergstrasse ist leider nach 20 Uhr absolut tot.
Vom Endergebnis her ist das dann noch schlimmer für die Akteure in der Innenstadt, wenn nicht die Höhe der Verkaufsfläche, sondern die Attraktivität des gesamten Standortes die Menschen in die HafenCity umlenkt…
Wir haben heute in Hamburg doch ein ganz anderes Problem. Der Innenstadtanteil an den Hamburger Verkaufsflächen beträgt gerade einmal 12%. Das liegt daran, dass Hamburg sehr dezentral organisiert ist. In der City werden lediglich 18% des Umsatzes erwirtschaftet. Das ist nachteilig für die Reichweite und die Attraktivität der Einkaufsstadt Hamburg, denn
die Menschen kommen nicht in die Stadt, um in dezentralen Lagen einzukaufen.
Nehmen wir im Vergleich dazu München. Hier liegen 27% der Verkaufsflächen in der Innenstadt und bei 1,4 Millionen Einwohnern erwirtschaftet der Münchener Einzelhandel hier 30% seines Umsatzes…
Ja, aber dafür kann man in München fast nur in der Innenstadt einkaufen…
Aber die Einzelhändler in Hamburgs City müssen dafür gegen zwei Trends arbeiten: der begrenzte kleinere Flächenanteil in der Innenstadt sorgt dort für dauernd ansteigende Mieten und die Attraktivität der Innenstadt – verdeutlicht unter anderem durch die Einzelhandelszentralität- sinkt seit einigen Jahren trotz hoher Nachfrage der auswärtigen Einzelhändler und trotz hoher Investitionen der Immobilieneigentümer.
Das Gutachten, das dem Überseequartier eine „Nichtverträglichkeit“ bescheinigt, wurde nicht von den Einzelhändlern, sondern von den Immobilieneigentümern – darunter große Unternehmen – in Auftrag gegeben. Deren Befürchtung ist auch, dass durch das vergrößerte Flächenangebot der Mietenanstieg gebremst wird. Tatsächlich hält ein verbreitertes Angebot den Einzelhandel in der gesamten Innenstadt zukünftig erheblich wettbewerbsfähiger.
Und auch von der steigenden Zahl der Touristen profitiert Hamburg z. Zt. nicht genügend, die Besucher kaufen in Hamburg in zu geringem Maß in der City ein. Im Schnitt geben die ausländischen Gäste zum Beispiel in Frankfurt und München viel mehr Geld aus. Wir müssen das touristische Potenzial Hamburgs und der gesamten inneren Stadt besser für den Handel mobilisieren. Das schafft neue Arbeitsplätze und mehr Attraktivität, da Hamburg mit seinem besonderen Milieu punkten kann. Also auch ohne die Neuentwicklung des Überseequartiers müsste sich die „innere Stadt“ Gedanken um ihre Attraktivität machen. Das ist für die Gesamtsituation Hamburgs als Einkaufsstadt notwendig, aber auch verträglich, zumal schon heute einem Flächen-Nachfrageüberhang von 220.000 Quadratmeter in der Innenstadt nicht nachgekommen werden kann.
Es geht aus meiner Sicht also nicht um eine eher temporäre Umverteilungsfrage, sondern vielmehr um eine strategische Entscheidung im Sinne der gesamten Stadt und die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen.
Wie viele neue Arbeitsplätze werden im Überseequartier geschaffen?
Insgesamt entstehen mehr als 6.000 neue Arbeitsplätze, die eine Wertschöpfung für die gesamte Stadt erarbeiten. Darunter Arbeitsplätze in der Hotellerie, Gastronomie und im Einzelhandel, im Kreuzfahrtterminal sowie auch Büroarbeitsplätze.
Als Trägerverbund Innenstadt hätte ich angesichts Ihrer Ausführungen jetzt noch mehr Befürchtungen. Die Attraktivität des künftigen Standortes HafenCity ist doch für Mitwerber ein verständliches Problem. Oder?
Die Menschen, die in die Stadt kommen, werden doch nicht primär wegen des Überseequartiers hier sein. Zurzeit haben wir bei Touristen eine durchschnittliche Bleibedauer von 1,9 Tagen. Es geht darum, eine längere Bleibedauer zu etablieren und dafür müssen wir Neues schaffen. Die Elbphilharmonie und die HafenCity sind natürlich interessant, aber die maritime Atmosphäre kommt insgesamt der Besucherintensität zu Gute. Das sind alles Faktoren, die auf die Gesamtmarke Hamburgs einzahlen.
Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Stadt als Einkaufsstadt wesentlich stärker wahrgenommen wird als bisher. Und als solche muss Hamburg auch vermarktet werden. Wir können doch keine schlechte Stadtentwicklung zu Gunsten des Bestehenden machen und dabei vergessen, dass neben Wohnungen vor allem Arbeitsplätze und wettbewerbsfähige Attraktivität geschaffen werden müssen.
Im Übrigen muss in Bezug auf den Einzelhandel folgendes berücksichtigt werden: mit der Fertigstellung der HafenCity zwischen 2025 und 2030 erfolgt eine Erweiterung der Innenstadt um 40%, während die Verkaufsfläche gerade Mal um 20% erweitert wird. Für die Innenstadt gibt es allerdings kein „Fertigstellungsdatum“. Natürlich wird sich diese dem Wettbewerb stellen, neue Projekte entwickeln und damit am Ende die gesamte Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs steigern. Schon heute sind gut 40.000 Quadratmeter in der Pipeline, die bis zur Eröffnung des Überseequartiers realisiert werden.
Und wie sollen die Innenstadt und die HafenCity miteinander verbunden werden? Alle wollen die Verbindung und die damit verbundenen Synergieeffekte aber wer wird am Ende die Kosten übernehmen?
Dieses muss eine städtische Gemeinschaftsaufgabe sein.
Wir haben uns stark dafür eingesetzt, dass aus dem Bereich der Elbphilharmonie Richtung Landungsbrücken und Rödingsmarkt gute Verbindungen entstehen. Dort wurde auch viel privat investiert. Doch auch die Verknüpfungen über den Deichtorplatz und über den Burchardplatz werden intensiv diskutiert. Am Ende wird eine Vielzahl von Wegeverbindungen erforderlich sein. Wir haben es hier angesichts der Herausforderungen mit einem „dicken Brett“ zu tun, das die Investoren und die Stadt in den nächsten 10 bis 30 Jahren beschäftigen wird und nicht von einem Einzigen – auch nicht der Stadt – alleine „gebohrt“ werden kann. Ein Zusammenwachsen erfordert sicher auch hohe private Investitionen und Unternehmen die bereit sind, an neue Orte zwischen HafenCity und Kern der City zu gehen.
Im Übrigen sollten wir auch die zentralen städtischen Investitionen nicht vergessen: In fünf Minuten fährt man schon heute mit der U4 vom Überseequartier zum Jungfernstieg und umgekehrt.
Lassen Sie uns nun über die Gewerbetreibenden vor Ort sprechen. Viele freuen sich auf die Fertigstellung des Überseequartiers. Allerdings geben die Ergebnisse des Gutachtens, das von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erstellt wurde, erheblichen Grund zur Sorge. Danach werden die Umsätze des bestehenden Einzelhandels im Quartier überdurchschnittlich sinken. Wird es für den ansässigen Einzelhandel schlechter, bevor es dann allmählich besser wird?
Das ist nicht richtig. Tatsächlich wird es an einem Tag schlechter und gleichzeitig am selben Tag besser.
Diese Prognose müssen Sie uns genauer erläutern…
Wenn künftig 50.000 Besucher oder mehr am Tag in die HafenCity kommen, werden möglicherweise einige „alte“ Kunden in den neuen Teil des Quartiers wandern, gleichzeitig kommen aber viel mehr neue Besucher und Kunden in den Stadtteil.
Dieser Effekt kann im Gutachten aber nicht ausreichend berücksichtigt werden. Methodisch ist es so, dass die Gutachter den ungünstigsten Fall aus Sicht der potentiell von Umverteilungseffekten betroffenen, bestehenden „zentralen Versorgungseinheiten“ aufzeigen müssen. Es geht bei diesem überwiegend statischen Berechnungsmodell um die Prüfung des sogenannten „worst case“.
Als Grundlage für eine Bebauungsplanabwägung unterliegen die Gutachten zur Wirkungsanalyse den Regelungen des Baugesetzbuches. Danach können für die rechtliche Gültigkeit nur bestimmte Annahmen gemacht werden. Die Gerichte interessieren sich zum Beispiel nicht für allgemeine Annahmen zu künftigen Bevölkerungszuwächsen – so wahrscheinlich diese auch seien. Sie wollen Zahlen zur vorhandenen oder zur gesicherten Bevölkerungsentwicklung.
Aus diesem Grund ist im Wirkungsgutachten zum Beispiel auch nicht berücksichtigt worden, dass die Bevölkerungszahl im Einzugsbereich bis zur Eröffnung des südlichen Überseequartiers im Jahr 2021, um gut 100.000 Personen anwachsen wird. Einzig die Bevölkerung der HafenCity ist berücksichtigt.
Und worauf gründet die HafenCity Hamburg GmbH ihre positiven Erwartungen, dass die Auswirkungen für den Bestandseinzelhandel vor Ort vom ersten Tag an positiv sein werden?
Die Besucher des südlichen Überseequartiers werden – sichtbar aufgrund des offenen Charakters – erstaunt sein, wie viele interessante Anlaufpunkte die unmittelbare Umgebung anzubieten hat. Sie werden bei ihrem Besuch auch das Umfeld erkunden. Jeder, der ein interessantes Geschäft in der HafenCity hat, wird von der höheren Besucherfrequenz profitieren.
Vertraglich ist auch zugesichert, dass solange EDEKA an diesem Standort bleiben will, die Nahversorgung im nördlichen Teil des Quartiers bleibt. Es ist davon auszugehen, dass die bis zu 15.000 Bewohner der HafenCity und viele Beschäftigte für ihre täglichen Einkäufe weiter treue Kunden im Nahbereich bleiben. Auch für Konzepte wie den Bio-Markt haben wir Flächen im nördlichen Teil reserviert.
Selbst um ein Geschäft, das im nördlichen Teil dasselbe Sortiment wie ein Geschäft im südlichen Überseequartier führt, würde ich mir keine Sorgen machen. Die Sichtbarkeit von Geschäften in einer Lauflage im Erdgeschoss ist sehr hoch und der damit verbundene Wettbewerbsvorteil wächst mit steigender Besucherzahl. Und mit dem Kino und dem Hotel am Sandtorkai entsteht auch eine vom südlichen Teil des Quartiers unabhängige neue Frequenz – genauso wie durch neue Nutzer etwa an der Koreastraße und an der Shanghaiallee.
Danach werden die Sorgen des Einzelhandels nach Fertigstellung des Überseequartiers der Vergangenheit angehören. Wie sieht es aber mit Beeinträchtigungen während der Bauzeit aus? Immerhin wird fast eine Milliarde Euro verbaut. Wie schätzen Sie die Auswirkungen ein?
Trotz der gigantischen Investitionen schätzen wir das Störpotenzial als relativ gering ein. Die Bauphase beginnt voraussichtlich Anfang 2017. Im Jahr darauf wird der Tiefbau beendet sein. Die Transporte werden über die Überseeallee in Richtung östlicher HafenCity geleitet werden. 2018 werden die letzten Bauvorhaben des nördlichen Überseequartiers am Sandtorkai auch beendet sein.
Mit der Versmannstrasse haben wir 2018 eine vierspurige Straße, bei der wir auf der Nordseite eine Spur für die Wartezeiten bei der Anlieferung durch die LKWs zur Verfügung stellen können. Das lässt sich gut integrieren. Denn auch wenn es Lärm und Schmutz und Gerüche im unmittelbaren Umfeld gibt, wird der größte Teil der HafenCity davon überhaupt nicht berührt.
Meine Erfahrung aus Großprojekten, an denen ich gearbeitet habe, sagt mir, dass die räumliche Konstellation mit der „Rundlage“ des südlichen Überseequartiers, extrem gut ist. Das mindert Konfliktpotential erheblich. Zwar werden wir natürlich ein logistisches Mammutprojekt zu bewältigen haben, das Verhältnis des Störpotenzials zur Größe des Bauvorhabens ist wegen der Lage jedoch extrem gering.
Dann bleiben als neuralgische Punkte die Zugänge zur U-Bahn? Diese werden während der Bauphase wenig attraktiv für die Fahrgäste sein.
Darauf wird geachtet werden. Allein deswegen, weil wir schon jetzt sehen, dass beim Berufsverkehr bis 9 Uhr schon viele in der U-Bahn stehen müssen. Diese Grundfrequenz wird in den nächsten Jahren noch steigen, weil die Bürogebäude vieler Unternehmen demnächst fertiggestellt sein werden. Wir werden, so ist es mit der Hochbahn verabredet, immer zwei Ausgänge aus der U-Bahnstation offen halten.
Aber werden diese auch qualitativ nutzbar sein?
Ja, gemeinsam mit Unibail-Rodamco werden wir sehr sorgfältig darauf achten. Und selbstverständlich wird auch die Hochbahn darauf drängen.
Dann kann nichts schief gehen?
Man muss aufpassen, dass gute Planungen so optimal wie möglich umgesetzt werden. Kleinere Dinge gehen natürlich auch mal schief, doch dann werden sie umgehend korrigiert. Wir haben jedenfalls die Möglichkeit, dass alle Bauabläufe gut abgewickelt werden können – und daran hat selbstverständlich auch Unibail-Rodamco ein sehr hohes Interesse.
Herr Bruns-Berentelg, vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Gespräch mit Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, führte Redakteurin Conceicao Feist.