Neuer Investor – neues Glück?

Pressekonferenz im Rathaus
Pressekonferenz im Rathaus

Neustart für das Überseequartier

Mit dem nun an den Start gehenden Investor für das südliche Überseequartier will die Stadt Hamburg den seit Jahren brachliegenden Teil des Vorzeigeprojektes HafenCity wieder auf die richtige Spur bringen. Mit Unibail-Rodamco meint die Stadt, den passenden Partner gefunden zu haben, der die Fehler der Vergangenheit vergessen lässt und, anders als das bisherige Überseequartier-Konsortium, in der Lage ist, das Herz der HafenCity zu einem pulsierenden Shopping-Center zu entwickeln.

Die wesentlichen Eckpunkte des neuen Konzeptes sind eine annähernde Verdoppelung der geplanten Einzelhandelsflächen, eine Erweiterung der Wohnbebauung sowie eine Reduzierung der projektierten Büroflächen. Dabei blieb die Stadt hart in ihrer Forderung nach einem Shopping-Konzept abseits üblicher vollklimatisierter Einkaufszentren. Diese Prämisse machte die Suche im Vorfeld der Verhandlungen schwierig: Bis auf einen Bewerber winkten alle Interessenten ab, übrig blieb Unibail. Der Investor taut sich zu, die durch Wind und Wetter gebeutelte Hafenkante so zu konzeptionieren, dass die zukünftigen Gäste der Einkaufsmeile den Widrigkeiten nicht ungeschützt ausgesetzt sind.

Der Boulevard in der Sicht von Unibail
Der Boulevard in der Sicht von Unibail

Zunächst aber sind Gespräche mit allen potenziellen Investoren geführt worden. Dass letztlich nur Unibail dieses ambitionierte Projekt übernehmen möchte, wirft ein interessantes Licht auf die anspruchsvolle Lage der HafenCity und auf die möglicherweise weltfremden Forderungen der Stadt. Unibail ist das größte börsennotierte Gewerbeimmobilien-Unternehmen Europas und kann einige Erfahrung in der Entwicklung schwieriger Projekte vorweisen. Mit über 60 Shopping-Zentren europaweit steigt die HafenCity damit mit in die erste Liga auf – so die Hoffnung der Stadtväter und der HafenCity Hamburg GmbH.

Die bei der Vorstellung des neuen Konzepts im Rathaus vorgelegte Zeitplanung dürfte im restlichen Überseequartier für Ernüchterung sorgen. Die neue Planung mit der notwendigen Änderung des Bebauungsplans und die dazugehörigen Architekturwettbewerbe sehen einen Baubeginn Anfang 2017 vor – mit der voraussichtlichen Eröffnung irgendwann im Jahr 2021. All jene, die auf eine rasche Füllung der Baugrube spekuliert haben, müssen also noch rund sieben Jahre durchhalten. Eine ziemlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass sich die Türen des Zentrums schon längst hätten öffnen sollen.

Blick von der Elbe
Blick von der Elbe

Befürchtungen ganz anderer Art werden dabei aus der Innenstadt laut. Dadurch, dass auf einer zweite Ebene unterhalb des Boulevards doppelt so viele Ladenflächen wie ursprünglich geplant entstehen, könnte sich die HafenCity zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz gegenüber der eigentlichen Innenstadt entwickeln. Sowohl die Handelskammer als auch die CDU riefen deshalb zu Besonnenheit auf. Prof. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg: „Wir begrüßen, dass der Senat ein investitionsinteressiertes Unternehmen für das südliche Überseequartier in der Hafencity gefunden hat. Dieses Projekt wird nur zu einem Gewinn für Hamburg, wenn die städtebauliche Verknüpfung zwischen Kern-City und HafenCity nachhaltig verbessert wird und wenn für alle Unternehmen der Kern- und der HafenCity der gleiche Wettbewerbsrahmen gilt.“ Ähnlich äußerte sich Hans-Detlef Roock, stellvertretender Vorsitzender und baupolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Im Überseequartier sollen die Verkaufsflächen gegenüber den ursprünglichen Planungen fast verdoppelt werden, insgesamt sollen dort Läden mit einer Fläche von einem Fünftel der gesamten Innenstadt entstehen. Der geplante Bau eines weitgehend unterirdischen Einkaufszentrums widerspricht der bisherigen städtebaulichen Planung für die HafenCity. Wir werden uns daher im Detail mit den Plänen und Auswirkungen auf die Innenstadt befassen, bevor wir uns zu diesem Projekt eine abschließende Meinung bilden.“

Blick San Franzisko Strasse
Blick San Franzisko Strasse

Ganz andere Sorgen treiben die Linken um. Um eine sichere Finanzierungsbasis zu erhalten, will Unibail keine Sozialwohnungen im Kernbereich des Überseequartiers bauen und sich vom risikoreicheren Büroflächenmarkt abgrenzen. Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Während viele Punkte noch offen sind, ist eine Frage entschieden. Es wird keine Sozialwohnungen geben. Über 40.000 qm Wohnfläche, also mindestens 400 Wohnungen bei einer angenommenen durchschnittlichen Größe von 100 qm, sollen entstehen. Nach dem Drittelmix des Senats müssten mindestens 133 Sozialwohnungen dabei sein. So stellt sich also die SPD die Verteilung der Sozialwohnungen auf die ganze Stadt vor. Für DIE LINKE gilt: Die Stadt braucht mehr Wohnungen als neue Bürotürme und die Stadt braucht vor allem günstige Wohnungen, überall, auch an der Elbe.“ Endgültig im Wahlkampf angekommen ist die FDP mit den Äußerungen ihres stadtentwicklungspolitischen Sprechers der Bürgerschaftsfraktion Dr. Kurt Duwe: „Der Bürgermeister hat in Sachen südliches Überseequartier wieder mal das getan, was er besonders gern praktiziert: Er hat die Bürgerschaft weder informiert noch beteiligt. Den gewählten Vertretern aller Hamburger werden derart wichtige Entscheidungen zur Stadtentwicklung per Pressekonferenz mitgeteilt – das ist Politik nach Gutsherrenart. Außerdem hat Olaf Scholz das gesamte Projekt in so glühenden Farben dargestellt, dass man sich an die Ankündigungspolitik aus schwarz-grünen Zeiten erinnert fühlt. Wie oft damals Versprechen für die Stadtentwicklung im Handumdrehen gebrochen wurde, ist allseits in schlechter Erinnerung. Hoffentlich wiederholt sich das nicht.“

Die SPD selbst sieht den Sachstand naturgemäß entspannter. Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion: „Das ist ein guter Tag für die HafenCity und damit auch für die Stadt insgesamt. Jetzt gibt es endlich eine verlässliche und sehr gute stadtentwicklungspolitische Perspektive für diesen äußerst wichtigen Bereich.“ Zugleich folgt der Senat damit dem Ersuchen der SPD-Fraktion für eine deutliche Steigerung der Wohnungszahl. Kienscherf erläutert: „Es war uns ein großes Anliegen, mehr Wohnen auch ins südliche Überseequartier zu bringen. Obwohl Schwarz-Grün immer behauptete, dass Wohnungsbau dort nicht möglich sei, hat der Senat nun eine Lösung gefunden, die unserer Forderung entspricht. Der Büroflächenanteil wird deutlich reduziert, zugunsten von rund 300 bis 400 Wohnungen, das entspricht einer Verdopplung der bisherigen Wohnungsanzahl. Die Neuordnung wird auch unmittelbar positive Auswirkungen auf die umliegenden Bereiche der HafenCity haben. Gerade die Einzelhändler wurden und sind durch das Fehlen des südlichen Teils des Überseequartiers stark beeinträchtigt. Jetzt wird diese Lücke mit einem tragfähigen Konzept und einem starken, verlässlichen Investor endlich geschlossen.“ Kienscherf weiter: „Das von der CDU 2005 initiierte und von der Grünen-Stadtentwicklungssenatorin weitergeführte Projekt war spätestens 2010 gescheitert. Damals musste die Stadt einspringen und sollte 50.000 Quadratmeter Bürofläche mieten, für die gar kein Bedarf war. Zum Glück konnte diese Fehlentwicklung verhindert werden. Mit dem Baustopp bot sich die Chance, die Entwicklungen neu zu bewerten und dem Überseequartier einen neuen Entwicklungsschub zu geben. Unser Ziel war immer, dass dort kein geschlossenes Shoppingcenter entsteht, sondern ein lebendiges und für alle offenes Stadtquartier. Das ist mit der heute vorgestellten Neuordnung auf den Weg gebracht.“

Abseits des Parteiengeplänkels und allem Optimismus ist das vorgestellte Projekt so oder so nicht trivial. Durch die zusätzliche Nutzung des Warftgeschosses als Ladenzeile werden alle Gründungen von null Meter über Normal Null auf sechs Meter unter Normal Null verlegt – es sollen ja schließlich auch noch über 2.000 Parkplätze geschaffen werden. Allein der dabei entstehende Aushub muss mit rund 30.000 LKW-Fahrten abtransportiert werden. Eine ingenieurs- und logistiktechnische Herausforderung der ganz besonderen Art.

Im Moment noch Spielplatz für Möwen und Enten
Im Moment noch Spielplatz für Möwen und Enten

Für eines der geplanten Gebäude steht der Architekt bereits fest: Christian de Portzamparc soll ein an Segel angelehntes 70 Meter hohes Gebäude anstelle des ursprünglich geplanten Science-Centers bauen. Der französische Pritzker-Preisträger ist der Wunschkandidat von Unibail-Chef Christophe Cuvillier, der das Vorhaben während der Pressekonferenz erläuterte: „Das Überseequartier liegt voll auf der strategischen Linie von Unibail-Rodamco mit Fokus auf Assets in herausragenden europäischen Einzugsgebieten sowie beschleunigtem Wachstum und dem Aufbau nachhaltiger Werte in Deutschland. Unibail-Rodamco ist stolz darauf, nach dem Zuschlag für das Projekt Neo/Mall of Europe in Brüssel in diesem Jahr, auch eine Partnerschaft mit der Stadt Hamburg für die Entwicklung der HafenCity, Europas größtem innerstädtischen Entwicklungsprojekt in einer der dynamischsten Regionen des europäischen Kontinents, einzugehen.“ Er übergab an Bürgermeister Olaf Scholz, der sich ebenfalls enthusiastisch über den gefundenen Investor äußerte: „Nicht nur die HafenCity selbst wird von diesem Neustart im südlichen Überseequartier profitieren: Der besondere städtische und offene Charakter des Konzeptes mit der Einbindung der maritimen Atmosphäre der Elbe wird für die Bewohner Hamburgs, für Besucher und Touristen gleichermaßen ein Gewinn sein. Ein erfolgreiches Überseequartier wird auch das Zusammenwachsen von City und HafenCity verstärken. Die Hamburger Innenstadt findet mit dem südlichen Überseequartier und seiner signalgebenden Architektur einen starken Waterfront-Abschluss an der Elbe.“

Bis 2021 wird allerdings noch viel Wasser die Elbe herunterfließen und die Veränderungen im Einzelhandel im Kampf gegen das Internet haben ihren Zenit noch längst nicht erreicht. Dessen ist sich auch Christophe Cuvillier bewusst, der dem Trend mit besonderem Erlebnis-Shopping entgegenwirken will. Neben einem bunten Mix an Gastronomie sollen ein Kino und großzügige Entertainmentbereiche im Überseequartier entstehen. Mit einer besseren Anbindung des ebenfalls neu zu konzipierenden Kreuzfahrtterminals setzen die Macher von Unibail zusätzlich auf die Kreuzfahrtgäste. Sollte das Projekt Erfolg haben, hat die Innenstadt tatsächlich Grund, die HafenCity zu fürchten.