Nicht zeitgemäß
Wenn man wie ich frisch aus dem Urlaub zurückkehrt – in meinem Fall aus dem tiefen schwedischen Wald –, kommen einem manche Dinge in Deutschland seltsam vor. Die Ladenöffnungszeiten zum Beispiel. Im letzten schwedischen Dorf, da, wo sich Elch und Pippi Langstrumpf gute Nacht sagen, kann man fast rund um die Uhr einkaufen. Am Sonntag bei Ikea shoppen gehen? Kein Problem! Den Wocheneinkauf erledigen? Alle Tage geöffnet, und wenn es am Sonntag je nach Bedarf nur ein paar Stunden sind. Niemand in Schweden denkt sich etwas dabei. Man reagiert eher verblüfft, wenn man in Hamburg am Sonntag überall vor verschlossenen Türen steht.
Derjenige, der sich in Deutschland am Thema Ladenöffnung am Sonntag abarbeiten möchte, setzt sich dem heiligen Zorn von Kirche und Gewerkschaften in seltener Einmütigkeit aus. Politiker und Funktionsträger, selbst wenn sie sich hinter vorgehaltener Hand offen für Veränderungen zeigen, winken meist dankend ab, wenn es um die öffentliche Unterstützung zur endgültigen Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten geht. Dabei steigt die Zahl derjenigen, die auch am Sonntag arbeiten müssen, kontinuierlich an. Gastronomie, Gesundheitswesen, Industrie und auch Staatsdiener kennen vermehrt kein Wochenende, nur der Handel darf nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten öffnen. Eigentlich sind Staat und Kirche ja in Deutschland getrennt und doch reicht der lange Arm der Religion bis ins Hamburgische Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten. Hier ist nämlich – man glaubt es kaum – auch für die wenigen Ausnahmen einer Sonntagsöffnung geregelt, dass diese nicht zu Zeiten des Hauptgottesdienstes liegen darf – und das in einer Stadt, in der nach Zahlen von 2014 die Mehrheit kein christliches oder gar kein Religionsbekenntnis hat (27,9% evangelisch, 10,8% katholisch). In der HafenCity wird das Gesetz dann schon komisch. Während nebenan an den Landungsbrücken die Souvenirshops geöffnet haben, wird in der HafenCity rigoros alles abgemahnt, was versucht, am Sonntag zu öffnen – und das in einem Stadtteil, in dem 2017 allein an der Elbphilharmonie sieben Millionen Touristen/Besucher erwartet werden. Dabei geht es nicht nur um die HafenCity, sondern – wenn man ehrlich ist – um das gesamte Gesetz. Denn wer legt die Grenzen fest, ohne den Neid der Nachbarn zu erwecken? Und wer weiß, vielleicht verirren sich ja mehr Menschen in die Gottesdienste der Hauptkirchen, wenn anschließend noch geshoppt werden kann?
Viel Vergnügen beim Lesen! Ihr Michael Baden