Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz
Muss Hamburg ab 2013 zahlen?
In einer aktuellen Entscheidung des OVG Rheinland Pfalz vom 25. Oktober 2012 (7 A 10671/12.OVG) entschied das Gericht, dass die Stadt Mainz die Kosten für die Unterbringung eines zweijährigen Kindes in einer privaten Kindergrippe übernehmen muss, wenn kein Platz in einer Kindertagesstätte verfügbar ist. Das gleiche Schicksal droht ab dem 1. August 2013 auch der Stadt Hamburg. Dann haben betroffene Eltern einen Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für ihre Kinder unter drei Jahren.
Das Angebot an Kindergartenplätzen liegt aber weit hinter der tatsächlichen Nachfrage zurück. Derzeit fehlen noch rund 220.000 Kindergartenplätze, deutlich mehr als bislang angenommen. Dabei liegt die Zahl an fehlenden Kindergartenplätzen in den alten Bundesländern deutlich höher im Vergleich zu den neuen Bundesländern. Einige Städte und Gemeinden haben es offenbar versäumt, das Betreuungsangebot der Nachfrage rechtzeitig anzupassen. Der Kita-Ausbau geht also eher schleppend als temporeich voran. Es zeichnet sich daher bereits jetzt ab, dass der Rechtsanspruch der Eltern nicht vollumfänglich von den Kommunen erfüllt werden kann, da sowohl das Geld als auch die nötige Zeit fehlt, um den Bedarf an Kindergartenplätzen fristgerecht zu decken.
Auch Hamburg reiht sich in das Bild der Städte ein, die dringend den Ausbau der Kindergartenplätze vorantreiben müssen. Die Kita-Betreuungsquote liegt in Hamburg momentan bei 35,7 Prozent. Damit rangiert Hamburg auf Platz sieben des Bundesländer-Rankings für das Jahr 2012. Insoweit ist die Frage berechtigt, ob und wie man als betroffener Elternteil den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durchsetzen kann beziehungsweise wie man reagiert, wenn der Rechtsanspruch nicht erfüllt werden kann.
Der Anspruch auf Kindertagesbetreuung ist auf Bundesebene im Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) geregelt, das auch als „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ (KJHG) bezeichnet wird. Danach haben Eltern ab dem 1. August 2013 für jedes Kind vom vollendeten ersten Lebensjahr an einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder durch Tagespflege. Die Kommunen müssen also jedem Kind einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen. Wenn es tatsächlich keine (weiteren) Betreuungsplätze geben sollte, müssen die Eltern aktiv werden.
Zunächst einmal können alle Eltern klagen, deren Kinder das erste Lebensjahr vollendet und das dritte Lebensjahr nicht überschritten haben. Es wird dann gerichtlich zu prüfen sein, ob wirklich alle Betreuungsplätze ausgeschöpft sind. Insoweit sollten betroffene Eltern frühzeitig nach alternativen Tageseinrichtungen oder auch Tagesmüttern Ausschau halten und prüfen, ob diese alternativen Möglichkeiten für die Betreuung des Kindes in Betracht kommen.
Wenn sich die Kosten für die alternativen Betreuungsmöglichkeiten höher als für den Kindergartenplatz gestalten, können diese Kosten vor Gericht eingeklagt werden.
Darüber hinaus können die betroffenen Eltern aber auch auf Schadensersatz klagen, wenn durch das alternative Betreuungsangebot zusätzliche Kosten, das heißt ein materieller Schaden entsteht. So können beispielsweise erhöhte Fahrtkosten, mitunter sogar ein Verdienstausfall gerichtlich geltend gemacht werden. Im aktuellen Fall entschied das Gericht zugunsten der Klägerin, weil die Stadt Mainz nicht in der Lage war, einen Krippenplatz zur Verfügung zu stellen. Die Gerichte werden sich daher mit dem jeweiligen Einzelfall auseinandersetzen müssen.
Zwar hat die Stadt Hamburg noch rund neun Monate Zeit, um den Kita-Ausbau voranzutreiben. Klagen werden sich aber wohl nicht vermeiden lassen.
Eltern sollten sich also frühzeitig über alternative Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind informieren und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen, um den subjektiven Rechtsanspruch gerichtlich durchzusetzen.
Christian Reckling ist Mitarbeiter in der Kanzlei SCHLÖMER & SPERL Rechtsanwälte.
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