Second Life
[themify_col grid=“2-1 first“]Ein Gespräch mit Kai Berrer: Wie die HafenCity Zeitung zu seinem Poeten kam oder das Leben nach dem Beruf
„Ein gutes Jahr“, lautet der Titel eines Spielfilmes von Ridley Scott aus dem Jahr 2006. Die federleichte Komödie – mit Russell Crowe in der Hauptrolle – erzählt von der Wandlung des Akteurs vom Broker zum Landei. Ein erfolgreicher Manager, der die Londoner City hinter sich lässt, um als Winzer ein kleines, von seinem Onkel geerbtes Weingut in der Provence zu übernehmen.
Geschichten über die Work-Life-Balance sind ein beliebtes Hollywood-Thema. Wie aber verhält es sich im wirklichen Leben, wenn jemand seinen Job hinter sich lässt? Aus aktuellem Anlass ist die HafenCity Zeitung dieser Frage nachgegangen: Vor genau einem Jahr, in der November-Ausgabe 2013, wurde unsere Rubrik „Gedicht des Monats“ ins Leben gerufen – und wird seitdem von Kai Berrer befüllt. Auch unser „Haus- und Hofdichter“ arbeitete bis zum Jahreswechsel in der Finanzwelt. War die Zeit nach seinem Ausstieg auch für ihn „ein gutes Jahr“?
HCZ: Wie fühlt man sich nach fast 12 Monaten ohne Zahlen, Daten und Fakten? Vermissen Sie die berufliche Herausforderung?
KB: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich genieße die neue Freiheit. Das gilt vor allem für die wiedergewonnene Selbstbestimmung über meinen Terminkalender.
HCZ: Das klingt nach viel Entspannung. Hatten Sie 2014 durchgehend Ferien?
KB: Keine Dauerferien, nein, eher ein Sabbatjahr. Es ging um Neuorientierung. Darum, in mich hineinzuhorchen, mich umzuschauen und herauszufinden, was ich künftig tun möchte.
HCZ: Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
KB: Nun, vor allem zu der Erkenntnis, dass es keinen zwingenden Grund gibt, dies heute schon abschließend festzulegen. Auch das ist Teil meiner neuen Freiheit, ein ganz wichtiger sogar.
HCZ: Aber es wird doch sicher so etwas wie eine Richtung geben, in die es Sie besonders zieht?
KB: Na klar. Zum Schreiben von Gedichten. Und inzwischen auch zur Perfomance. Zusammen mit der HafenCity-Band „NormallNull“ hatte ich in diesem Jahr zwei Auftritte im Club 20457 in der HafenCity. Das war ein ganz besonderer Mix aus Lesung und Rockevent, der allen viel Spaß bereitet hat.
HCZ: Und was kommt als nächstes? Eine gemeinsame CD? Oder ein Hörbuch?
KB: Gar keine schlechte Idee … „Buch“ ist schon das richtige Stichwort. Momentan arbeite ich gemeinsam mit der Hamburger Illustratorin ZAZA Uta Röttgers daran, einen illustrierten Lyrikband mit dem Titel „Mann(s)Bilder“ herauszubringen. Die Gedichte darin erzählen Geschichten von und über Männer und beleuchten das Leben aus deren Blickwinkel. „Ende eines Landgangs“, das Gedicht dieses Monats, wird übrigens auch darin enthalten sein.
HCZ: Dann bleibt uns ja nur zu hoffen, dass Sie uns – trotz der fremdbestimmten Redaktionsschlusstermine – erhalten bleiben. Vielen Dank für das Gespräch.
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Ende eines Landgangs
Du bezweifelst meine Schwüre,
dass zum Kuss Dir fehlt der Mut?
Und wenn ich nun gar nicht führe?
Wär’ ich dann für mehr Dir gut?
Mädchen, das kann ich nicht leisten,
fällt es mir auch noch so schwer;
denn ich selbst am allermeisten
möcht’ erfüllen Dein Begehr´.
Doch ich muss in See bald stechen,
bald, am Ende dieser Nacht.
Aber ich geb’ das Versprechen,
dass ich die Erinn’rung acht’
an das abschiedsschwere Küssen
und den sehnsuchtsvollen Drang,
gibst Du Dich beim Scheidenmüssen
mir jetzt hin auf dieser Bank …
Mädchen, ach Du Wunderbare!
Dir zum Dank schnitz’ ich ins Holz
ein Herz, das Dich, wenn ich fahre,
an heut’ Nacht gemahnt mit Stolz!
Heut’ Nacht! Nie werd’ ich vergessen
– ob der Mond, ob Sonne scheint –
wie wir beide hier gesessen,
engumschlungen und vereint.
Doch nun muss ich Dich verlassen.
’Hab Dich wohl, mein Mädchen. Wie?
Deinen Namen? Muss ich passen.
Lisbeth? Klara? Nein?! Marie …?
Kai Berrer
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