Sherwood Forest 2.0
Buchtipp: Anonymus „Deep Web – Die dunkle Seite des Internets“
„Glauben Sie ernsthaft, wir gehen heute noch in eine Wohnung und legen Wanzen mit kleinen Kabeln überall aus?“, fragt Puschin und deutet auf die gegenüberliegende Seite der Straßenschlucht vor meiner Wohnung, in der ein Fenster dunkel wie ein Kariesloch in der Hausfassade klafft. „Sehen Sie die Wohnung da?“, fragt er. (…) „Hätten wir Sie abhören wollen, hätte in der Wohnung jetzt vielleicht ein Kollege von mir gesessen, mit einem kleinen Apparat auf der Fensterbank. (…) Dann hätte dieses Gerät einen feinen Laserstrahl über die Straßen an Ihre Fensterscheibe geschossen, der die Vibrationen der Scheibe registriert hätte, wenn wir hier drinnen sprechen“, erklärt Puschin. „Und das hätte der kleine Apparat dann in Sprache umgewandelt. Das macht man heutzutage eigentlich nicht mehr mit Wanzen.“ (…) Als ich in meine Wohnung zurückkehre, wartet mein Laptop auf mich.“
„Deep Web“ ist die Auftragsarbeit eines Verlages. Anonymus, ein Berliner Journalist, soll etwas Licht in die dunkle Seite des Internets bringen. Was genau ist das Deep Web? Wer ist dort unterwegs, wie knüpft man dort Kontakte, was ist der Unterschied zu dem Internet, das die meisten Menschen kennen und nutzen?
Anonymus beginnt zu recherchieren und trifft Menschen, die sich mit dem Deep Web auskennen: u.a. Mitarbeiter des LKA, Staatsanwälte und Mitarbeiter des Tor-Projektes. Er beschafft sich Zugang zum Deep Web, das nach Schätzungen etwa vierhundertmal größer ist als das uns bekannte Internet mitsamt den Websites, die man über Suchmaschinen finden kann. Das Deep Web kann man nicht googeln. Es ist ein Schattennetz, das nicht durch bunte Bilder besticht. Im Deep Web tauschen die Menschen Nachrichten in verschlüsselter Form aus, Spuren werden verwischt, in dem Informationen z.B. über Tor („the onion router“) versandt werden.
Im Deep Web werden Kriegswaffen, Drogen und Kinderpornos gehandelt. Hier kann man Kontakt mit Auftragskillern aufnehmen. Aber hier kommunizieren auch diejenigen, die in ihrem Land nicht frei sprechen können, weil sie vom Staat daran gehindert werden.
Anonymus nimmt den Leser mit in diese unbekannte Welt, u.a. auf die Silk Road, die, nachdem das FBI die Site hochgenommen hat, vier Wochen später wieder online ist. Er diskutiert die Themen Datenschutz und Datenvorratsspeicherung mit Experten, und merkt, dass er selbst paranoid wird und sich verfolgt fühlt, je mehr er sich mit der Thematik des Deep Web befasst.
Immer an seiner Seite: Alice aus dem Wunderland, die, wie der Autor, in eine fremde Welt eintaucht und auf merkwürdige Gestalten trifft.
„Deep Web“ ist kein Buch für IT-Experten, sondern für Menschen wie den Autor selbst, die einen Einblick in diese „neue Welt“ bekommen möchten – und die viele wahrscheinlich bisher gar nicht kannten.
Nicht nur das Thema ist spannend, sondern auch die Tatsache, dass der Leser den Autoren bei seiner Reise ins Deep Web begleitet.
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„Deep Web – Die dunkle Seite des Internets“ ist im Mai 2014 bei Blumenbar erschienen. 221 Seiten, Hardcover, Euro 17,99, ISBN 3351050100