Stadtentwicklung wird Bürgeranliegen
Was das Gängeviertel, Katharinenvierel und die HafenCity gemein haben
Die Diskussion um das Gängeviertel hat es deutlich gemacht. Das öffentliche Bewusstsein für Stadtplanung wächst und zunehmend mischen sich Bürger in vormals unbeachtete Felder von Stadtpolitikern und Beamten ein. „Kann man Stadtplanung nur den vermeintlichen Profis überlassen oder müssen diejenigen, die letztendlich in den Entwürfen leben müssen mehr beteiligt werden?“ war die zentrale Frage bei einem Workshop zur Entwicklung des Katharinenquartiers in der Winterkirche der Katharinenkirche.
Veranstaltet wurde der Workshop von Nexthamburg, einem ThinkTank und öffentlichem Projetlabor und der IG Katharinenquartier, die sich am konkretem Beispiel der Bebauung des Geländes der ehemaligen Katharinenschule Gedanken über die optimale Bebauungsform von innenstädtischen Wohnquartieren machen.
Über dreißig Interessierte aus dem Umfeld des Katharinenquartiers und der HafenCity, darunter auch eine ganze Reihe von Menschen vom Fach, machten sich daran, nach einführenden Vorträgen, in einem „Ideen-Speeddating“ genannten Verfahren drei Thesen zu verifizieren, deren Missachtung gesellschaftliche und auch ästhetische Folgen hat. Architekt Kottmeyer hatte für seine These das „Kleinteiligkeit Lebendigkeit schafft“ weit ausgeholt und die Architekturgeschichte von Pompei bis zu den Berliner Townhouses herangezogen. Krasse Kontraste bestimmen in Berlin die Bilder mit den schmalen Stadthäusern auf der einen und dem ehemaligen Reichsluftfahrtsministerium auf der anderen Straßenseite. Ein überzeugendes Bild auf ästhetischer Seite und unterstreichend, das Vielfalt auch „schlechte“ Einzelteile überdeckt.
Auch auf sozialer und psychologischer Seite könne Kleinteiligkeit überzeugen. Je kleiner die Einheit, desto größer der Identifikationsgrad der Bewohner, desto größer der die Sorgfalt mit der mit den Immobilien umgegangen wird. Auch das Problem des zu geringen sozialen Wohnungsbaus (In Hamburg fallen jährlich 5000 Wohnungen aus der Bindung gegenüber 500 Neubauten) kann nach Ansicht von Kottmeyer mit kleinteiliger Bebauung gelöst werden. Erst kleinere Grundstücklose lassen mittelständische Investoren wieder zum Zuge kommen, die nicht die Kraft haben die Kreditvolumen heute üblicher Grundstückgrößen und Bauvolumen zu stemmen.
Wer in der HafenCity hinter die Kulissen gesehen hat, kann dieser Argumentation folgen. Kleinere Einheiten waren nur dort möglich, wo mehrere Bauherren sich zu Baufeldgemeinschaften zusammengeschlossen haben und häufig gestaltet sich die Zusammenarbeit dieser Notgemeinschaften nicht einfach. Doch da, wo es dann letztlich bis zum guten Ende gebracht wurde gibt es abwechslungsreiche Strukturen mit hohem Identifikationsgrad der Bewohner.
Eine ähnliche Zielrichtung hatte der Vortrag von Bernd Ohde, dem Vorsitzenden des Bürgervereins Mitte. Er brach eine Lanze für den Mittelstand, der zunehmend in der Stadtplanung keine Rolle mehr spiele. „Mittelstand macht die Klassengrenzen durchlässig“ lautete seine These und fordert das auch kleine und mittelständische Unternehme eine Chance zur Investition bekommen sollten. Der Stadt würden durch kleinere Bauflächen keine Mittel entgehen und für den die deutsche Wirtschaft tragenden Mittelstand würden sich neue Chancen eröffnen.
Eingeführt wurde die gesamte Diskussion von Julian Petrin von Nexthamburg, der die politische Dimension von Stadtplanung beleuchtete. Er forderte „Politik 2.0“ und eine stärkere Bürgerbeteiligung bei Projekten. „Was ist Hamburg?“ , „Wie wollen wir bauen?“, „Ist Hamburg Klinker?“ und „Für wen baut ihr eigentlich?“ waren die Fragen die er stellte und brachte das zunehmende Aufbegehren der Bürger ins Spiel. Eine Stadt lebt nicht von Marketingslogans sondern von den Bürgern die in ihr leben. Damit lag er nahe an dem Manifest „Not in our name“ das im Zuge der Gängevierteldiskussion entstanden war und deren Macher mit der HafenCity ziemlich platt und vorurteilsbeladen umgehen, trotzdem aber mit ihren Forderungen den Nerv der Zeit treffen.
Zurück zum eigentlichen Gegenstand der Diskussion, der Bebauung des Schulgeländes. Der Gegenentwurf des IG Katharinenquartiers sieht Gebäude auf dem historischen Fundamentraster der Grimminsel vor. Dabei würden 25 kleine Baufelder entstehen die bis zu sechs Stockwerken bebaut werden könnten. Eine der teuersten Baugründe in Hamburg könnte so auch von kleineren Unternehmen bewältigt werden und die entstehende Gebäudemischung würde ein lebendiges und ansehnliches Quartier erzeugen. Kleine Gewerbefläche in den Erdgeschossen stellen ein attraktives Umfeld für die Laufachse Innenstadt-HafenCity her. Noch haben die Menschen im Katharinenquartier die Hoffnung nicht aufgegeben, diese Variante gegen einen weiteren Ost-West-Straßen-Quader durchsetzen zu können.