Über den Hafenrand hinaus schauen

Die Stimmung in den Charlotte Square Gardens. Eintritt in den Park, sowie zu den Buchläden und Cafes ist kostenlos, aber für die meisten Events in Zelten muss man (rechtzeitig) Karten kaufen. (Fotos: Sonja Goernitz)
Die Stimmung in den Charlotte Square Gardens. Eintritt in den Park, sowie zu den Buchläden und Cafes ist kostenlos, aber für die meisten Events in Zelten muss man (rechtzeitig) Karten kaufen. (Fotos: Sonja Goernitz)

Die gebürtige Hamburgerin Sonja Goernitz lebt seit gut 12 Jahren in Sydney, wo sie fast jedes Jahr das Sydney Writers‘ Festival (80.000 Besucher) genießt. Dieses Jahr recherchierte sie auch beim 30. Edinburgh International Book Festival (10.–26. August) und beim 5. Harbour Front Literaturfestival Hamburg (12.–21. September). Goernitz bot uns Ideen an, was Hamburg von Edinburgh lernen könnte – und vice versa.

Inhalte: Warum ich Literatur-Feste mag? Viele Leute wollen Bücher schreiben, einige tun es; Verlage wählen aus, Festival-Teams laden ein; die Autoren sagen das, was ihnen wichtig ist, in 60 oder 90 Minuten – es ist die Essenz. Notizbücher füllen sich mit Zitaten und neuen Ideen. Jedoch wird in Hamburg viel vorgelesen. Wieso? Zehn Minuten Vorlesen pro Autor reichen, oder Lesungen könnten separat laufen.

Lage: Neubauten der HafenCity (2200 m²) versus Festzelte in den Charlotte Square Gardens (150 m²). Beide Orte liegen jeweils im Stadtkern. Edinburghs Vorteil: Gäste gehen nur wenige Schritte von Zelt zu Zelt. Wäre in Hamburg Teamwork mit dem HVV sinnvoll?

Größe: Im Vergleich zu Edinburgh mit 750+ Autoren in 800 Events bot Hamburg 75 in 79 an. In nur acht schottischen Zelten (für bis zu 570 Gäste) finden parallel einstündige Events hintereinander weg (mit kurzen Aufräum-Pausen dazwischen) statt. Könnte Hamburg mit soweit 24 Top-Veranstaltungsorten aufholen, so mehr Besucher – und Beschäftigte – anziehen? Harbour Front hat so viel Potential wie ein flügges Küken zum Fliegen.

Beim Event im Pepper Theatre - benannt nach dem Sponsoren (170 Plätze). Hier finden die kostenlosen Events von Amnesty International statt.
Beim Event im Pepper Theatre – benannt nach dem Sponsoren (170 Plätze). Hier finden die kostenlosen Events von Amnesty International statt.

Preis: Auch in Edinburgh kosten Tickets umgerechnet etwa 8–12 € (£7–10/£5–8 ermäßigt). Kostenfreie Events (v.a. Lesungen) locken morgens früh und abends spät Besucher an. Edinburgh kooperiert mit Amnesty International: bei Gratis-Events machen Autoren auf Fälle von Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Welche Hilfsorganisation würde Hamburg unterstützen wollen?

Sponsoren: Die Bühnen in Hamburg erscheinen so leer ohne die Banner, die auf Sponsoren hinweisen! Edinburghs Werber sitzen mit im Publikum: auf den besten (reservierten) Plätzen.

Informationen: Das A4-Programm des britischen Events hat 93 Seiten, das deutsche Gegenstück ist etwa so handlich wie ein aufgeklappter Reisepass (114 Seiten). Hamburg bietet dazu das Poster-große Faltblatt mit einer tabellarischen Übersicht mit den Veranstaltungsorten auf der X-Achse und den -tagen auf der Y-Achse an, worin Farbcodes das Genre jedes Events markieren, z.B. blau für Belletristik. So eine Tabelle – mit Stunden statt Tagen – könnte auch in Edinburgh praktisch sein.

Ablauf: Über den Bühnen in Edinburgh hängen Leinwände mit projizierten Nachrichten wie „Bitte Handys ausschalten“ und Hinweisen zum Verkauf und Signieren von Büchern. Der Moderator stellt kurz den/die Autoren vor (Lebensläufe). Entweder folgt dann das Interview mit dem/den Autoren, oder eine Autoren-Runde nimmt Stellung zu den Fragen des Journalisten zum catchy Thema des Events, oft über IT, Politik und/oder Kreativität. Das letzte Viertel jeder Veranstaltung bleibt für Fragen aus dem Publikum. Mitarbeiter bringen Mikrofone zu den Menschen. Bei beiden Festivals kaufen Gäste nach den Events Bücher und lassen sie von den Autoren signieren. Win-win-Situation!

Mehr: www.sonjagoernitz.com                                                             Text: Sonja Goernitz