Über Freundschaft, Treue und die Macht des Geschichtenerzählens
„Ein Teelöffel Land und Meer“ von Dina Nayeri
„`Sie haben mir gesagt, dass persische Frauen ein inneres Feuer haben.`Sie klopft sich mit der freien Hand auf die Brust. `Die Mullahs und pasdars wissen das. Und was macht man, wenn man ein Feuer löschen will? Man wirft ein großes schweres Tuch darüber, nimmt ihm den Sauerstoff. Und genau das haben sie mit uns gemacht. Ist das nicht poetisch?`(…) Sabas Mutter sagt oft ähnliche Dinge (…), als sie erstmals die Massen von formlosen, verhüllten schwarzen Gestalten auf den Straßen sah. (…) Zahllose Reihen von gelöschten Feuern.“
Saba ist elf Jahre alt, als sich ihr Leben drastisch verändert. Die Islamische Revolution zwingt ihre wohlhabende christliche Familie dazu, Teheran zu verlassen und sich auf ihre Ländereien zurückzuziehen. Kurz darauf verschwinden ihre Zwillingsschwester Mahtab und ihre Mutter. Saba glaubt gesehen zu haben, wie die beiden in ein Flugzeug gestiegen sind um nach Amerika zu flüchten. Ihr Vater und die Nachbarn im Dorf erzählen eine andere Geschichte.
Was genau ist passiert? Wo sind ihre geliebte Schwester und ihre Mutter geblieben? Mit ihrer Freundin Ponneh und ihrem Freund Reza macht sie sich auf den Weg in die Stadt, um im Postamt nach Briefen von Mahtab zu fragen. Als keine Briefe ankommen, fängt Saba an, sich Geschichten über das Leben ihrer Schwester in Amerika auszudenken. Während Mahtab in Sabas Erzählungen in Harvard studiert und eine berühmte Journalistin wird, besorgt sich Saba auf illegalem Weg englische Bücher und amerikanische Filme – und wird nach islamischen Brauch verheiratet. Wird sie ihre Schwester wiederfinden? Wird auch sie das Leben leben können, das sie sich für ihre Schwester ausmalt?
„Ein Teelöffel Land und Meer“ ist aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Jede Geschichtenerzählerin hat eine andere Wahrheit und andere Auffassungen vom Leben.
Dina Nayeri beschreibt die Veränderungen Persiens, die die Islamische Revolution mit sich bringen, vor allem die Beschneidung der Rechte der Frauen, die gezwungen werden, im Tschador auf die Straße zu gehen und von den pasdars streng bewacht werden; die auf offener Straßen von ihnen ausgepeitscht werden, wenn sie vermeintlich unsittlich auftreten oder gleich ins Gefängnis gebracht werden, aus denen die meisten nicht wieder zurückkehren. Hierbei wechselt Nayeri nicht nur gekonnt die Perspektiven, sondern auch die Zeit, in der der Roman spielt: Sabas Kindheit, die sie am liebsten mit ihren Freunden Ponneh und Reza in der Vorratskammer ihres Vaters verbringt um heimlich amerikanische Musikkassetten zu hören – und in die Zeit, in der Saba verheiratet wird.
Ein mitreißender Roman, der die Stärke der persischen Frauen im Buch widerspiegelt: die Kraft des Geschichtenerzählens.
„Ein Teelöffel Land und Meer“ von Dina Nayeri wurde am 9. Juli 2013 im mareverlag veröffentlicht, 528 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Euro 22,-