Urlaubsfeeling, Grünoasen und Nutzungskonflikte
Die NIDUS-Baugemeinschaft über ihren Start in der HafenCity
Wer die HafenCity verstehen will, sollte hier leben. Ansonsten entstehen Momentaufnahmen: An schönen Tagen erreichen sie Postkartenqualität, an trüben werden sie gelöscht. Die 60 Mitglieder der NIDUS-Baugemeinschaft (lat. Nidus = Nest) haben die Besucher- gegen die Bewohnersicht getauscht. Seit März wohnen sie in der Shanghaiallee und erleben die HafenCity mit all ihren Facetten, in all ihrer Komplexität. Nach einem halben Jahr berichten sie über ihre Eindrücke.
„Anfänglich war es wie Urlaub: Möwen, Schiffe, Seeluft“, erinnert sich Bewohnerin Doris Papenbrook. „Ich hatte das Gefühl, bald geht es wieder nach Hause.“ Inzwischen haben sich die Bewohner eingelebt. Das maritime Flair ist genauso Teil ihres Wohnumfelds wie Touristen, Autos und Baustellen.
„Es ist spannend, welch unterschiedliche Nutzungen sich hier ansiedeln. Das macht unser Umfeld schon jetzt urban, da entsteht eine einzigartige Mischung“, sagt Wohnbeirat Daniel Luchterhandt. Aus ihren Fenstern schauen die Bewohner auf die historische Fassade des Automuseums und nebenan läutet täglich die Glocke des Ökumenischen Forums. An den Polen der Shanghaiallee blicken sie auf die Speicherstadt und bald auf die HafenCity Universität. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich das Maritime Museum, der Magdeburger Hafen und der Lohsepark.
Eine gute Nachbarschaft besteht bereits mit dem Ökumenischen Forum: Zu den Gottesdiensten treten die Bewohner nur kurz aus dem Haus. Ein Bewohnerpaar hat im Forum bereits seine Hochzeit gefeiert, und zudem fand hier nach dem Einzug die erste NIDUS-Eigentümerversammlung statt. Und auch Übernachtungsgäste kann man günstig einquartieren.
Die Bewohner schätzen die kurzen Wege. Einige von ihnen haben im Haus ihr Büro oder ein eigenes Geschäft. Mehrere Kinder besuchen die nahegelegene Kita und Schule von St. Katharinen. Zu Fuß erreicht man alles für den täglichen Bedarf. Was viele allerdings in dem Vorzeigestadtteil für Nachhaltigkeit vermissen, ist ein Altglascontainer. Der nächste befindet sich am Großneumarkt.
Wie ist es eigentlich, wenn 60 Bewohner gleichzeitig einziehen? „Anfangs waren die Aufzüge blockiert, es wurde gebohrt und gehämmert und die Müllcontainer waren mit Verpackungen überfüllt. Aber wir haben die Zeit mit Toleranz und gegenseitiger Unterstützung gemeistert“, so Bewohner und NIDUS-Hausverwalter Ralf Michels.
Als Bauherren haben sie sich kennengelernt und in das Projekt eingebracht. Jetzt sind sie Nachbarn. Wenn man sich im Treppenhaus oder in der Tiefgarage begegnet, muss man Zeit mitbringen. Es gibt immer Neuigkeiten und Erfahrungen auszutauschen. Und manchmal gehen die Meinungen auch auseinander: Während Eltern im Innenhof mehr Spielgerät für die Kinder wünschen, bitten die Gewerbetreibenden um Rücksicht für ihr Geschäft. Aber an Lösungen für Nutzungskonflikte wird gearbeitet – in der HafenCity im Großen genauso wie bei NIDUS im Kleinen. Apropos Innenhof: Besucher staunen, wie lauschig es dort ist. Er ist nicht nur eine Grünoase mitten in der City, sondern hat auch schon manche Party erlebt. Übrigens war das NIDUS-Wohnhaus das erste mit Gold-Zertifikat. „Das war zwar aufwendig und teurer, aber es hat sich gelohnt. Wir haben dadurch niedrige Nebenkosten und hohe Wohnqualität“, freut sich Projektinitiator Jörg Munzinger.
Leben ist auch in die Gewerbeeinheiten eingekehrt: Die POPUP Gallery von Sandra Munzinger zeigt bereits die dritte Kunstausstellung und hat sich einen Namen gemacht. Stadtplaner Daniel Luchterhandt informiert in seiner „kleinen Urbanität“ über Trends und Wettbewerbe in der Stadtentwicklung. Zudem sind die Uhrenmanufaktur Fischer & Cie., die Osteopathie-Praxis Elbkind und ein Architekturbüro eingezogen. Eine Gastronomie soll noch folgen. Leider gab es auch den ersten Fall von Vandalismus. Die Schaufenster wurden eines Nachts zerkratzt.
Die NIDUS-Gemeinschaft wohnt jetzt ein gutes halbes Jahr in der HafenCity. Sie ist nicht nur in das Leben eingetaucht, sie ist bereits ein Teil davon. (Rando Aust)