Vom Winde verweht
Naturgewalten in der HafenCity
Wenn von Stadtplanung und Wind gesprochen wird, geht es meistens um die Gewinnung von Windenergie oder die Nutzung des Windes zur Kühlung oder im Gegenteil um die Isolierung von Bauten. Doch wie sieht es aus, wenn es schlicht um zuviel Wind geht, da wo Häuserschluchten und Hausprofile zu unangenehmen bis zu gefährlichen Effekten im alltäglichen Leben führen? In der Forschung wird sich dabei meist auf einzelne Objekte konzentriert, wie im Beispiel des Amsterdamer Stadions, wo schon in der Vorplanung die Windverhältnisse auf den Zuschauerrängen und der Einfluss von entstehenden Hochhäusern geprüft wurde. Doch auch dort war man sich nicht sicher, ob die Modelle ausreichend die Realität widerspiegeln, die Komplexität überforderte die Computer. Die HafenCity ist ein Beispiel dafür, dass ein durch Stadtplanung entstandenes Mikroklima auch gefährlich sein kann. Geschichten vom Wind kann fast jeder HafenCity-Anlieger erzählen. Sie handeln von Gegenständen die durch die Luft gewirbelt werden, von Menschen die verletzt wurden und vom alltäglichen Umgang mit den Naturgewalten. Nun sollte man meinen, dass diese Geschichten meist im windreichen Winter spielen doch die Realität sieht ganz anders aus. In der HafenCity weht fast immer Wind, und in der Regel ist dieser Wind auch stärker als im Stadtgebiet. Das liegt zum einen an der vorherrschenden Windrichtung West, die über die lange Schneise der Elbe und kanalisiert durch die begrenzenden Bauten von Hafen und Hafenrand ungehindert auf die in Hauptwindrichtung liegenden Teile der HafenCity treffen, die meist von erschließenden Strassen in derselben Richtung eigene Windkanäle besitzen. Ein Düseneffekt entsteht, der den Wind zum Teil noch beschleunigt, einzelne in der Windrichtung stehende Gebäude verwirbeln diese und erzeugen Effekte wie kleine lokale Tornados.
Eindrucksvoll kann man diese Windereignisse an den Gebäudekanten betrachten, das überhängende Gebäude des Baltic Carrees erzeugt bei entsprechenden Winden wahre Trichter im Wasser des Grasbrookhafens. Die Fassadenplaner berücksichtigen diese Windverhältnisse bei der automatischen Öffnung und Schließung von Jalousinen, Windfühler fahren Markisen und andere Vorrichtung ab einer gewissen Windstärke ein. Andere lernen auf die harte Methode: Normale Sonnenschirme haben in der HafenCity nichts zu suchen, selbst massivste Modelle, die im Boden verankert sind können manchmal den Windverhältnissen nicht trotzen. So zuletzt geschehen kurz am Pfingstwochenende, wo am Vasco-Da-Gama-Platz vorbildlich verankerte schwere Sonnenschirme von einer lokalen Windhose aus dem Boden gerissen wurde und drei Menschen verletzten. Szenen wie in einem Katastrophenfilm spielten sich auch ab, als der Spielplatz von einem lokalen Windereignis getroffen wurde und Eltern um ihre Kinder fürchteten. Etagen höher, auf den Balkonen, Loggien und Terrassen spielen sich solche Szenen wesentlich häufiger ab. Da werden massive gusseiserne Grills von der Dachterrasse geweht, Blumenkübel machen sich selbstständig oder ganze Frühstückstische landen auf den Dächern der Nachbarhäuser. Gartenplaner und Möbellieferanten lernen dabei nur langsam. Massive Möbel sind gefragt, an exponierten Stellen auch mit Bolzen im Boden verankert, oder zumindest mit Sicherungsseilen vor dem kompletten Absturz gesichert. Dabei hat die HafenCity einen richtig starken Sturm noch gar nicht erlebt. Also aufgepasst Stadtplaner und Architekten: Das Bauen am Wasser erfordert Aufmerksamkeit an allen Stellen, und auch der Tipp an die Gastronomen nicht an der falschen Stelle zu sparen sei hier nicht ausgespart.