Vor Ort im Gespräch

Unterwegs in einem noch unbekannten Stadtteil
Unterwegs in einem noch unbekannten Stadtteil
Andreas Gerhold am Grasbrook

„Politiker werden, ist nicht schwer, Politiker sein dagegen sehr“, könnte das Motto der beiden Kommunalabgeordneten der Piratenpartei sein. Andreas Gerhold, der Sprecher der Piraten-Gruppe kann ein Lied davon singen. „Wir mussten erst einmal dahinter kommen, welche Formalien zu berücksichtigen sind und wie die Abstimmungsabläufe in der Bezirksversammlung tatsächlich funktionieren“, erzählt er rund ein Jahr nach dem überraschenden Einzug seiner Partei in die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Angetreten sind er und Michael Büker – beide direkt gewählt – mit dem Ansatz, Transparenz bei politischen Entscheidungen einzufordern und Bürgerbeteiligung zu stärken. In diesen Bereichen haben sie Teilerfolge erzielt, auch wenn die Sitzungen über Bauangelegenheiten im Ausschuss weiterhin nicht öffentlich sind. „Für Kommunalpolitiker geht es um die Probleme der Menschen in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld, und da merken wir, dass wir von vielen Bewohnern zum Beipiel auf St. Pauli als Ansprechpartner wahrgenommen werden. Wir besetzen neue Themen, die bisher keiner aufgegriffen hat“, erzählt der Pirat, „Transparenz bei politischen Abläufen und Entscheidungen ist uns sehr wichtig.“ Beide Abgeordnete legen Wert darauf, Themen qualitativ zu besetzen, und nehmen dafür in Kauf, im erlebnisreichen Bezirk Hamburg-Mitte nicht überall dabei sein zu können.

 

Andreas Gerhold - von den Piraten am Grossen Grasbrook
Andreas Gerhold - von den Piraten am Grossen Grasbrook
Sie waren dabei, als sich die Opposition in Folge des Falles Chantal (ein Kind, das in die Obhut von Pflegeeltern gegeben wurde, starb in Wilhelmsburg an den Folgen einer Methadonvergiftung) gegen den inzwischen zurückgetretenen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber formierte: „…es ging uns nicht um Personalpolitik, aber in dem Moment als Schreiber die Kompetenz seiner Jugendamtsleiterin infrage stellte und erklärte, dass er sich schon früher von ihr habe trennen wollen, konnten wir nicht anders, als seinen Rücktritt zu fordern.“ Vermutlich führte die Einigkeit der Opposition dazu, dass die SPD im Bezirk dann selber einen Antrag einbrachte, der ein offenes und öffentliches Auswahlverfahren des künftigen Bezirksamtsleiters beziehungsweise der -leiterin ermöglichte. Andreas Gerhold ist im Grunde seines Herzens nicht ausschließlich Kommunalpolitiker. Die derzeitige Personalknappheit bei der Piratenpartei macht es erforderlich, dass auch gesamtstädtische Themen gleichzeitig betrachtet werden; und so sieht er die Frage der Gentrifizierung (zum Beispiel die Verdrängung von Geringverdienern aus bestimmten Stadtteilen wegen steigender Mieten) als Problem für Hamburg. „Wir müssen eine Teilung der Stadt vermeiden“, fordert er, „und der so beliebte Vergleich Hamburgs mit Metropolen wie Paris und London muss dazu führen, dass wir die dort gemachten Fehler vermeiden.“ (CF)