Vor Ort im Gespräch
André Trepoll, der Oppositionsführer in der Hamburger Bürgerschaft im Gespräch mit der HafenCity Zeitung über Perspektiven und Alternativen für Hamburg
Seit Februar 2015 führt der Jurist André Trepoll (39) die zwanzigköpfige CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Nach dem, wie er es beschreibt, schwierigen Wahlergebnis seiner Partei, die mit 15,9 % das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfuhr, hat sich die Fraktion neu aufgestellt. „Wir sind eine aktive bürgerliche Opposition“ betont Trepoll und ist der Meinung, dass „…die Trägheit und Selbstzufriedenheit von Olaf Scholz und der rot-grünen Regierung Hamburg mehr schadet als nutzt.“
Herr Trepoll, Hamburg ist gerade zu einer der lebenswertesten Städte weltweit gekürt worden. Was gefällt Ihnen besonders an Hamburg?
Für mich ist Hamburg die schönste Stadt der Welt. Hamburg ist meine Heimat und mein Zuhause. Die gesellschaftliche Liberalität, der Mix der Bewohner, die hanseatische Kaufmannstradition, bei der man sich auf das gegebene Wort verlassen kann, all das macht den Charme der Stadt aus. Und nicht zu vergessen die Lage am Wasser mit Alster und Elbe.
Sie haben 2015 ein Direktmandat in Ihrem Wahlkreis Süderelbe gewonnen…
Ich wohne gern in den Harburger Bergen. Ich genieße es, die Vorteile der Großstadt und gleichzeitig die Idylle am Stadtrand zu haben. Es gefällt mir gut, dass man beides in dieser Stadt vereinen kann.
Bitte nennen Sie uns drei Bereiche, in denen Sie mit der Politik des Senats sehr unzufrieden sind.
Wenn ich mich auf drei Punkte beschränken muss, dann wären das die Themen Sicherheit, Hafen und Verkehr. Alles drei spielt für die Hamburger eine sehr große Rolle.
Wir haben ein 10-Jahres-Hoch bei der Kriminalitätsbelastung in der Stadt und eine Zunahme um 20 % bei der Einbruchskriminalität. Die offene Drogenszene ist zurück. Die Zustände am Hauptbahnhof sind teilweise wieder unzumutbar. Wir brauchen ein konsequentes Durchgreifen. Aber die Polizei braucht politische Rückendeckung und eine bessere Ausstattung. Die bekommt sie von Rot-Grün nicht. Wir als CDU machen in der Bürgerschaft konstruktive Vorschläge, die leider fast immer abgelehnt werden.
Das zweite Thema ist natürlich die wirtschaftliche Situation der Stadt. Die hängt auch heute zu einem guten Stück am Hafen. Hamburg geht es zwar gut. Wir erleben aber, dass im Hafen viele die Frage stellen, wohin die Reise geht und wie die Zukunft aussieht. Und dabei geht es nicht nur um die Elbvertiefung.
Es ist unklar, wie der Hafen sich entwickeln soll. Der geltende Hafenentwicklungsplan ist nur noch Makulatur. Es gibt viele hausgemachte Probleme, wie das Verschlickungsproblem oder die mangelnde Internetversorgung im Hafen. Das sind Themen, die Wirtschaftssenator und Bürgermeister immer noch nicht gelöst haben.
Welche Lösungen haben Sie zu diesen Fragen anzubieten? Die Fahrrinnenanpassung wird von Richtern entschieden und Hamburg ist von globalen Wirtschaftsentscheidungen abhängig.
Das ist genau der Punkt. Wirtschaftlich „brummt der Motor“ in Deutschland. Trotzdem fällt Hamburg zurück. Wir müssen uns die Gründe für diesen Wettbewerbsrückstand anschauen und dürfen nicht zulassen, dass unsere Stadt weiterhin Jahr für Jahr im Vergleich zur Konkurrenz abrutscht. Sonst sieht es in der nächsten Krise düster aus.
Bei Projekten wie der Elbvertiefung glaube ich, dass wir die Regularien verändern müssen, beispielsweise bei den Einspruchsmöglichkeiten für die Umweltverbände.
Warum dürfen ausreichend geprüfte Projekte von überragender Bedeutung für das Allgemeinwohl, nachdem sie demokratisch beschlossen wurden, von Umweltlobbygruppen noch gestoppt werden?
Unser Vorschlag ist, dass diese keine Verhinderungsmöglichkeiten, sondern nur ein Durchsetzungsrecht bei den Ausgleichsmaßnahmen haben sollen.
Bei der Verschlickung des Hafens hat der Hamburger Senat viel zu lange mit dem ebenfalls sozialdemokratisch regierten Schleswig-Holstein verhandelt. Wir schlagen vor, dass man den Schlick auch außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone verklappen kann. Dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein.
Der Hafen ist und muss das wirtschaftliche Herz unserer Stadt bleiben. Wir haben schon jetzt nicht genügend Platz im Hafen. Deswegen gibt es von uns eine klare Absage an den Wohnungsbau auf dem Kleinen Grasbrook und in anderen hafennahen Gebieten.
Aber für die Olympischen Spiele hätten Sie dem Wohnungsbau auf dem Kleinen Grasbrook zugestimmt.
Für die große und einmalige Chance die Olympischen Spiele nach Hamburg zu holen, hätten wir es mitgetragen. Und die Hafenwirtschaft übrigens auch. Leider hat Olaf Scholz durch Intransparenz bei der Kostenfrage viel Vertrauen verspielt. Ich bin überzeugt, dass dieser Punkt die entscheidenden Stimmen gekostet hat.
Und im Verkehrsbereich?
Wir glauben nicht, dass man eine Zwei-Millionen-Metropole zur Fahrradstadt umkrempeln kann. Die Grünen beziehen sich immer auf Kopenhagen, das gerade mal ein Zehntel der Fläche und ein Drittel der Einwohner Hamburgs hat.
Natürlich ist Radfahren eine kostengünstige und gesunde Fortbewegungsweise, die auch Spaß macht. Aber wir dürfen dafür nicht die Hauptverkehrsstraßen von vier auf zwei Spuren verengen. Verkehrspolitik darf nicht darin bestehen, dass da wo früher Autofahrer bevorzugt wurden, heute Radfahrer den Vorzug bekommen. In einer modernen Metropole muss auch immer der Wirtschaftsverkehr berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Wie sehen hier ihre Alternativen aus? Die EU mahnt Hamburg wegen der Nichteinhaltung der Grenzwerte an und selbst das Verhalten der Verkehrsteilnehmer hat sich u.a. mit Car Sharing verändert.
Wir haben in den letzten fünf Jahren über 40.000 neu zugelassene PKW und LKW mehr. Die Menschen fahren nicht weniger Auto. Wir haben eine wachsende Stadt und wir haben wachsende Verkehre. Durch Rot-Grün haben wir 1.500 Parkplätze weniger. Der Grundsatz muss lauten: leistungsfähige Hauptverkehrsstraßen und verkehrsberuhigte Wohnstraßen. Das muss das Leitbild einer Metropole und des Wirtschaftsstandortes Hamburg sein.
Wie passt da der Vorschlag Ihrer Fraktion, den Wohnungsbau an den Hauptverkehrsstraßen auszubauen?
Wir denken hier perspektivisch. Menschen, die an Hauptverkehrsstraßen wohnen, haben den Vorteil, dass sie eine bessere Infrastruktur im Wohnumfeld haben. Busse, U- und S-Bahnstationen sind in der Nähe. Wir verschwenden wertvollen Platz zum Beispiel durch Riesenparkplätzen vor Supermärkten. Die könnten auch unterirdisch gebaut werden. Dann wären diese Flächen für den Wohnungsbau frei. Experten sprechen von 120.000 neuen Wohnungen, die man unter anderem entlang der Hauptverkehrsstraßen schaffen könnte. Wohnungsbau plant man ja für viele Jahre. Unser Vorschlag, mit Nachverdichtung und Wohnungsbau an den sogenannten „Verkehrsmagistralen“, ist ein guter Ansatz.
Seit 2015 sitzt nun auch die AfD in der Bürgerschaft. Gibt es für Sie Ansätze für eine Zusammenarbeit in der Opposition?
Für uns ist klar, dass eine Partei, die sich gegen die Europäische Union und gegen die NATO-Mitgliedschaft Deutschlands ausspricht und die in Teilbereichen eine Politik macht, die nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht, kein Partner für uns sein kann.
Wir setzen uns mit der AfD aber natürlich inhaltlich auseinander. Nach über eineinhalb Jahren können wir sagen, dass die AfD weder durch Fleiß noch durch Einsatz oder Qualität überzeugt. Jede Diskussion der AfD wird mit der Flüchtlingsfrage verknüpft. Im Diskurs entlarven wir deren Politik, die weder für Hamburg noch für Deutschland gut ist.
Hamburg entwickelt sich derzeit entlang der Elbe und Bille, Richtung Süden und mit Altonas Neuer Mitte auch im Westen.
Können Sie die Prioritäten, die der Senat in der Stadtentwicklung setzt, unterstützen?
Ich kann ehrlich gesagt keine Prioritäten erkennen. Rot-Grün fehlt ein Leitbild.
Wo will der Bürgermeister mit der Stadt hin? Nur möglichst viele Wohnungen zu errichten, reicht als Zukunftsperspektive
nicht. Wir brauchen auch Aussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Dieser Senat beschränkt sich darauf, möglichst keine Fehler zu machen. Das reicht als Anspruch an eine politisch gestaltende Kraft in einer Millionenmetropole nicht aus.
Kann die HafenCity eine Blaupause für den Rest der Stadt sein? Wie sehen Sie die Bedeutung der HafenCity für Hamburg?
Die HafenCity ist neben St. Pauli sicherlich einer der prägendste Stadtteile. Sie ist das Gesicht des modernen Hamburgs. Und wenn die Elbphilharmonie eröffnet wird, werden sich die Hamburger noch viel stärker mit ihr identifizieren.
Es muss noch deutlicher werden, dass es hier nicht nur teure Luxuswohnungen gibt. Die Stadtplanung hat in der HafenCity eine tolle Lernkurve gemacht. Die Mischung aus Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit ist gelungen. Es ist erfreulich, dass der Anteil der Familien mit Kindern zunimmt.
Wir sind stolz auf diese Entwicklung, die in unserer Regierungszeit weit vorangetrieben wurde. Als Blaupause ist die HafenCity aber nur zum Teil geeignet. In gewachsenen Stadtteilen fehlt der Platz, der hier zur Verfügung steht.
Ich bin auch überzeugt, dass die Elbphilharmonie jeden Euro, den sie die Stadt gekostet hat, wieder einspielt. Schon jetzt gibt es einen Run auf die Karten. Und die Menschen haben sich weitestgehend versöhnt mit dem Ärger und mit den Fehlern, die rund um den Bau entstanden sind.
Allerdings bereiten die befürchteten Verkehrsströme vielen Anwohnern große Sorgen und auch die Belastung durch Falschparker führt immer wieder zu Besorgnis im Stadtteil.
Diese Themen sind uns bekannt. Wir haben uns damit auch in vielen Sitzungen des Verkehrsausschusses und der Deputation beschäftigt und werden das Thema immer wieder aufgreifen. Es kann nicht darum gehen, die Menschen zu bevormunden und zu erwarten, dass alle mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Man muss geordnete Möglichkeiten schaffen, damit die Menschen, zu Konzerten anreisen können. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Belastungen für die Anwohner sich auf ein Minimum beschränken.
Das geplante Einkaufsquartier mit einer Einzelhandelsfläche von 68.000 Quadratmetern führt bei den Händlern in der Innenstadt zu vielen Ängsten. Wie bewerten Sie den geplanten Bau?
Sicher gibt es auf der einen Seite Befürchtungen. Es gibt aber auch Stimmen, die die Maßnahme als Stärkung des gesamten Einkaufsstandortes sehen. Gerade beim Einzelhandel hat Hamburg noch Potenzial und Nachholbedarf.
Entscheidend ist, dass die zwei zukünftigen Einkaufspole – HafenCity und Innenstadt –durch attraktive Wegachsen miteinander verbunden werden. Die Innenstadt muss dabei weiterentwickelt und aufgewertet werden. Das ist die Aufgabe der Stadt und der Akteure im Einzelhandel. Es muss geklärt werden, wie alle profitieren, wenn ein neuer Mitbewerber dazukommt.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass mehr Nachfrage auch durch Touristen entsteht, die gern in der Hamburger Innenstadt – und damit meine ich die HafenCity und die jetzige Innenstadt –
einkaufen. Dazu sind auch attraktive Konzepte seitens des Einzelhandels erforderlich.
Welche Lösungen sehen Sie für die von der Handelskammer geforderten Verbindungen? Wäre eine direkte Busverbindung in die Kern-Innenstadt zusätzlich zur U-Bahn ein Teil der Lösung?
Wenn die Nachfrage da ist, könnte es eine Möglichkeit sein. Die Experten werden sich damit beschäftigen müssen, ob beispielsweise die fußläufige Verbindung entlang des Domplatzes durch attraktive Einzelhandelsflächen Besucher einladen, diesen Weg zu gehen. Die Stadt sollte die Zeit nutzen, sich mit den verschiedenen Modellen für attraktive Wegeverbindungen zu beschäftigen.
Das Interview führte Coneição Feist.