Vor Ort im Gespräch: Carsten Brosda
Er ist seit drei Monaten im Amt, bekleidet seitdem den Posten des Senators für Kultur und Medien. Die Rede ist von Carsten Brosda, der als vorheriger Staatsrat auf die verstorbene Barbara Kisseler folgt. Fast zeitgleich mit seiner Ernennung begannen sich die Vorzeichen für Kultur in Hamburg mit der Eröffnung der Elbphilharmonie umzukehren, wo vorher eher Mangel verwaltet wurde ist Kultur plötzlich ganz nach oben auf die Liste der Wertschätzung der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Die HafenCity Zeitung sprach mit dem geborenen Gelsenkirchener über Kultur im Hafen und der HafenCity.
Herr Senator, an der Stadtküste macht sich zunehmend Unmut über die Fülle der Veranstaltungen breit, scheinbar findet Kultur nur noch hier und verstärkt in der HafenCity statt, muss das so sein oder bieten sich nicht auch andere Stadtteile als Veranstaltungsorte an?
Eigentlich ist es ja nicht so, es gibt wundervolle Kulturveranstaltungen auch jenseits des Hafens, aber natürlich hat Hamburg den Hafen als zentralen identitätsstiftenden Ort und deshalb suchen Künstlerinnen und Künstler und Kreative auch dessen Nähe für ihre Veranstaltungen. Der Hafen prägt Hamburg und das Bild von Stadt. Auch meine ersten visuellen Erinnerungen an Hamburg – als Gelsenkirchener – sind die Speicherstadt und der Hafen in der Fernsehserie Schwarz-Rot-Gold.
Die Orte von damals haben sich aber inzwischen sehr verändert, Speicherstadt und HafenCity beginnen als Kulturorte zu funktionieren, mit entsprechenden Vor- und Nachteilen für die Anwohner.
Das ist das Ergebnis einer veränderten Wahrnehmung von Urbanität: Die Bürger wollen heute etwas, was amerikanische Stadtsoziologen als „walkable City“ bezeichnen: Leben, Arbeiten und Kultur in fußläufiger Entfernung. Die HafenCity ist in dieser Hinsicht so etwas wie ein Musterstadtteil und man sieht in der HafenCity, dass so etwas auch in einem neuen Stadtteil gelingen kann. Das ist das Tolle an diesem Ort und ein Erfolg, der Stadtplaner aus aller Welt fasziniert.
Stadt ist ein permanenter Aushandlungsprozess, das sollten auch diejenigen wissen, die sich Urbanität ohne dessen Nebenwirkungen wünschen. In Berlin ist der Prenzlauer Berg ein Beispiel: Ursprünglich sind die Bewohner aus den schwäbischen Kleinstädten wegen der Clubs und des Nachtlebens nach Berlin gezogen, jetzt versuchen zum Teil die gleichen Menschen, nun älter und gesetzter und mit Kindern, aus dem Prenzlauer Berg wieder eine schwäbische Kleinstadt zu machen. Ich finde, man sollte redlich bleiben und sich dann nach einem Ort umsehen, der seinem Lebensentwurf besser entspricht. Wir haben auch in Hamburg ganz tolle grüne und ruhige Stadtteile, die vielleicht besser passen, wenn einem die Innenstadt zu laut wird.
Eines der nächsten spannenden Großprojekte für die kulturelle Landschaft Hamburgs wird das deutsche Hafenmuseum, mögliche Orte werden diskutiert, zeitgleich steigen die Sorgen um die Zukunft des Hafens.
Ich finde nicht, dass die Frage nach dem Platz für das Hafenmuseum das Spannendste ist. Das Konzept ist viel wichtiger. Was wir schaffen müssen ist eine kluge Abstimmung mit dem sehr gelungenen Internationalen Maritimen Museum. Wir wollen ein Hafenmuseum schaffen, das die modernen Warenströme und Logistikprozesse, die Globalisierung thematisiert. Es fehlt ein Ort, in dem man die Konsequenzen beispielsweise von TTIP und Freihandel besprechen und veranschaulichen kann.
Generell gilt: Kulturelle Nutzungen dürfen nicht die Industrienutzungen verdrängen. Der Hafen muss in seiner jetzigen wirtschaftlichen Kraft erhalten bleiben – und erlebbar sein. Darauf wollen wir achten. Die 50er Schuppen sind ein hochplausibler Standort, sie liegen aber leider an einer Stelle, die nicht zu den bislang gängigen touristischen Routen gehören. Wir haben uns vorgenommen, die in Frage kommenden Standorte ordentlich zu prüfen, um nicht durch voreilige Entscheidungen Fehler zu begehen, die nicht wieder zu korrigieren sind. Die 50er Schuppen haben den Vorteil, dass sofort der Hafen der Vergangenheit erlebt werden kann, aber auch das Risiko, dass der Hafen der Moderne aus dem Blick gerät. An anderen möglichen Standorten kann es wiederum genau umgekehrt sein, wenn wir das nicht ordentlich konzipieren. Und genau das tun wir.
Wann kann man da mit einer Entscheidung rechnen?
Wir brauchen noch dieses Jahr, um das Ergebnis der Standortpotenzial-Analyse auszuwerten und dann wird wahrscheinlich eine Entscheidung gefällt werden. Da geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Ein Standort südlich der Norderelbe wäre aber ein hilfreicher Baustein für den sogenannten Sprung über die Elbe?
Keine Frage, aber kulturelle Veränderungen können nicht alleine von oben verordnet werden. Ein von der Stadtplanung zwar gewollter und gewünschter Sprung über die Elbe funktioniert nur, wenn sich die Zentren auch von sich aus entwickeln. Harburg hat großartige Kulturorte, wenn sie zum Beispiel an die Sammlung Falckenberg denken, dort fühlt sich für mich die Hamburger Kulturlandschaft am ehesten wie New York an. Dieser Ort ist aber im Bewusstsein der Hamburger noch nicht vollständig angekommen. Die lässige Gewissheit, dass so eine Entwicklung Zeit braucht, um am Ende gut zu werden, muss man auch haben, um etwas sich auch aus sich selbst entwickeln zu lassen.
Stichwort Gedenkstätte im Lohsepark, am 10.Mai wird diese eröffnet. Braucht Hamburg gerade jetzt einen solchen Ort, nach so langer Zeit?
Ein großer, markanter Gedenkort an die Deportationen der Juden, Sinti und Roma fehlt derzeit im innerstädtischen Raum.
Ich finde es gut, dass er jetzt entwickelt wird – und dass er so entwickelt wird. Hier gibt es einen Volkspark und in seinem Inneren stoße ich auf diesen Gedenkort, an dem man sich die Universalität der Schuld, die sich damals die Deutschen und hier speziell die Hamburger auf die Schulter geladen haben, bewusst machen kann. Weil die Zeugen, die von dieser Zeit persönlich berichten können, immer weniger werden, müssen Orte wie die Gedenkstätte und die Dokumentationsstätte die Erinnerung daran lebendig halten, damit diese Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten. Das ist gerade in heutigen Zeiten eine wieder wichtig werdende Aufgabe.
Über den Lohsepark berichten wir an anderer Stelle ausführlicher, kommen wir zu ihrer Arbeit als Kultursenator. Es scheint als hätte die Kultur in Hamburg gerade einen Lauf, erleichtert ihnen das die Zusammenarbeit mit ihren anderen Kollegen im Senat?
Ich erlebe meine ersten Wochen als Senator als ganz kollegial, was das Verhältnis der Kultur zu den anderen Ressorts angeht. Das ist nicht zuletzt auch der Elbphilharmonie geschuldet, die den Stellenwert von Kultur noch einmal ausdrücklich in das Bewusstsein der Stadt gebracht hat. Die eigentliche Arbeit ist jetzt der Ausbau der Kultur auch abseits der Elbphilharmonie, um den Status von Hamburg als Kulturstadt dauerhaft zu festigen. An dieser Nachhaltigkeit arbeiten wir jetzt hochkonzentriert. Wenn wir jetzt nur auf dieser Welle surfen würden, könnten wir eines Tages aufwachen und zwar einen interessanten architektonischen Leuchtturm in der Stadt haben, aber der eigentliche Effekt wäre verflogen. Das darf uns nicht passieren. Wir dürfen nicht nur an der Oberfläche surfen, sondern müssen tief tauchen. Dann können wir den aktuellen Erfolg fest verankern.
Herr Senator, wir danken für das Gespräch. Das Interview führten Edda Teneyken, Thomas Hampel und Michael Baden