Wenn die Kinder flügge werden
Eigenbedarfskündigung – nicht wegen vorhersehbaren Bezugs durch eigene Kinder!
Wieder einmal hatte ein Gericht in der Nähe von Hamburg über ein Mietverhältnis zu entscheiden. Da die Wohnungssituation – gerade in begehrten Gegenden – oft schwierig und heiß umworben ist, sind Kinder von Eigentümern einer Mietwohnung besser gestellt. Wenn nun das eigene Kind flügge wird und das elterliche Haus verlassen möchte, haben die um das Wohl des Kindes besorgten Eltern und Eigentümer einer Mietwohnung die Möglichkeit, gegenüber den derzeitigen Mietern diese für ihr Kind zu kündigen und räumen zu lassen, oder?
Unter anderen über diese Frage machten sich die Richter des Landgerichts Lüneburg in einem Verfahren Gedanken und entschieden die Frage in einem Urteil vom 7. Dezember 2011 (Geschäftsnummer: 6 S 79/11) in der Berufungsinstanz.
In diesem Verfahren begehrte der Berufungskläger, der Vater von drei Kindern zwischen 14 und 19 Jahren ist, die Räumung eines Mietobjekts wegen Eigenbedarfs. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses hatte der älteste Sohn noch nicht mit seiner Ausbildung begonnen und wohnte in dem elterlichen Haushalt. Zudem war zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss, wann der Sohn sich von dem elterlichen Haushalt lösen wolle und an welchem Ort er seine Ausbildung ausüben würde. Nachdem das Mietverhältnis mit den Beklagten 21 Monate überdauerte, stellte sich heraus, dass der Sohn mit seiner Freundin zusammenziehen wollte und seine Ausbildung in der Gegend beginnen werde. Daraufhin kündigte der Kläger das Mietverhältnis gegenüber den Beklagten wegen Eigenbedarfs für seinen ältesten Sohn. Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2011 (Geschäftsnummer: 20 C 81/11) abgewiesen. Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Das Landgericht Lüneburg hat die Klage in der Berufungsinstanz ebenfalls abgewiesen und begründete seine Entscheidung wie folgt: Eine Eigenbedarfskündigung dürfe nicht auf einen Bedarf gestützt werden, der bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorhersehbar gewesen sei. Die Vorhersehbarkeit setze eine vorausschauende Planung von einer Dauer von fünf Jahren voraus. Es sei nicht erforderlich, dass der Vermieter den künftigen Bedarf genau kannte, erklärt Rechtsanwältin Pferdmenges, sondern es genüge, wenn der Vermieter den künftigen Bedarf bei vorausschauender Planung hätte in Erwägung ziehen müssen. Es müsse keine sichere Prognose der Lebensentwicklung oder eine konkrete Lebensplanung vorhanden sein. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse bei dem Abschluss des Mietvertrages. In vorliegender Sache hätte der Vermieter damit rechnen müssen, dass eins seiner drei Kinder in absehbarer Zeit (innerhalb der nächsten fünf Jahre) sich selbstständig machen und den elterlichen Haushalt verlassen würde. Dies gelte insbesondere für den älteren Sohn. Der Vermieter hätte nach allgemeiner Lebenserfahrung damit rechnen müssen, dass sein ältester Sohn in absehbarer Zeit einen eigenen Haushalt mit seiner Freundin zu führen wünsche und dass es jedenfalls nicht ausgeschlossen sei, dass dieser in dem pendelbaren Umkreis zur streitgegenständlichen Mietwohnung zu Ausbildungszwecken verbleibe. Ein Vermieter sei auch nicht durch die Verpflichtung zur vorausschauenden Planung eingeschränkt, da er die Möglichkeit zum Abschluss eines befristeten Mietvertrages nach § 575 BGB gehabt hätte. Zumindest hätte der Vermieter die Mieter bei Abschluss des Mietvertrages auf die Möglichkeit des Eigenbedarfs hinweisen müssen.
J. Pferdmenges ist Mitarbeiterin in der Kanzlei Schlömer & Sperl Rechtsanwälte.
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